Preiserhöhung bei Strom und Gas: Was ist rechtlich zulässig?

Wenn die Energiekosten so weit in die Höhe schießen, dass fast schon eine zweite Miete daraus wird, stellt das für viele Menschen ein ernstzunehmendes Problem dar. Immer wieder kommt es vor, dass Strom- und Gasanbieter von heute auf morgen die Preise erhöhen – meist schon kurz nach dem Vertragsabschluss. Doch ist das in allen Fällen zulässig? Hier erfahren Sie unter anderem, wie Sie sich vor intransparenten Preiserhöhungsschreiben schützen und wann Sie fristlos Ihren Vertrag kündigen können.

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Das Wichtigste in Kürze

Darf mein Anbieter die Preise für Strom und Gas einfach erhöhen?

Grundsätzlich sind Energiepreiserhöhungen erlaubt, sofern sie rechtzeitig und ordnungsgemäß angekündigt werden. Strom- und Gaslieferanten müssen aber bestimmte Informationspflichten erfüllen. Dabei spielt es eine Rolle, ob Sie Kunde in der Grundversorgung (in der Regel bei den örtlichen Stadtwerken) sind oder einen Sondervertrag geschlossen haben. Zwei grundlegende Unterschiede sollten Sie beachten:

  • In der Grundversorgung gelten die Regelungen der Strom- und Gasgrundversorgungsverordnung (§ 5 StromGVV/GasGVV), während für  Sonderverträge mit speziellen Strom- und Gastarifen das Energiewirtschaftsgesetz (§ 41 EnWG) maßgeblich ist.
  • Grundversorger dürfen per Gesetz die Energiepreise erhöhen, wenn sich bestimmte Kostenfaktoren ändern, auf die sie keinen Einfluss haben. Bei Sonderverträgen muss das Preisänderungsrecht dagegen explizit in den AGB vereinbart sein. Ist dies nicht der Fall, müssen Sie als Verbraucher auch keine Energiepreiserhöhung akzeptieren. Außerdem können entsprechende Klauseln durchaus unwirksam sein, wie bereits mehrere Gerichtsurteile gezeigt haben (zum Beispiel Landgericht Frankfurt, 2022, Az. 3-06 O 6/22).

Eine kostengünstige Ersteinschätzung, ob Ihr Sondervertrag überhaupt wirksam ist, erhalten Sie zum Beispiel in der Anwaltshotline: Erfahrene Anwältinnen und Anwälte beraten Sie unter der Nummer 0900/1 875 003 602 für 1,99 Euro pro Minute (inkl. USt. aus dem Festnetz, höhere Preise im Mobilfunk).

Gut zu wissen: Grundversorgung oder Sondervertrag?

Solange Sie keinen speziellen Strom- und Gastarif vereinbart haben, werden Sie automatisch als Haushaltskunde in die Grundversorgung aufgenommen und müssen die sogenannten Allgemeinen Preise zahlen, die meist teurer sind als Sondertarife. Der Grundversorger ist üblicherweise das Energieunternehmen, welches vor Ort die meisten Anwohner mit Strom und Gas beliefert. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Ihr Energieanbieter der Grundversorger ist, dann werfen Sie einen Blick in Ihre Vertragsunterlagen. Anbieter müssen eine Angabe machen, wenn es sich um einen sogenannten „Liefervertrag außerhalb der Grundversorgung“ handelt.

Wann und wie müssen Energiepreiserhöhungen angekündigt werden?

Sind Sie in der Grundversorgung, müssen Ihnen Energiepreiserhöhungen mindestens 6 Wochen vorher per Brief mitgeteilt werden (§ 5 Abs. 2 StromGVV/GasGVV). Zudem sind Grundversorger verpflichtet, etwaige Preiserhöhungen immer auch öffentlich bekanntzugeben, sowohl auf ihrer Internetseite als auch in örtlichen Amtsblättern oder Tageszeitungen.

Bei Sonderverträgen gilt eine Mitteilungsfrist von einem Monat gegenüber Haushaltskunden – für alle anderen, die Strom und Gas nicht überwiegend für den Eigenverbrauch nutzen, gelten 2 Wochen (§ 41 Abs. 5 EnWG). Statt einer brieflichen Benachrichtigung darf Sie Ihr Sonderversorger auch per E-Mail über Preisänderungen informieren, aber nur sofern Sie diesem Kontaktweg zugestimmt haben. In der Sonderversorgung gilt darüber hinaus keine Veröffentlichungspflicht.

Gemäß § 41 Abs. 1 EnWG muss die Mitteilung über Energiepreiserhöhungen auch einige inhaltliche Kriterien erfüllen. Diese lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Transparenz: Unverständliche oder vorsätzlich vage Formulierungen sind im Schreiben nicht erlaubt.
  • Begründung der Preis- beziehungsweise Vertragsänderung: Anbieter müssen genau angeben, weshalb der Energiepreis angehoben wurde (zum Beispiel wegen der gestiegenen Stromsteuer).
  • Aufklärung über den Umfang der Vertragsänderung: Steigen nur die Energiepreise oder sind davon noch andere Vertragspunkte betroffen?
  • Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht: Kund*innen müssen unabhängig vom Grund der Preiserhöhung auf Ihr Sonderkündigungsrecht hingewiesen werden.

Preiserhöhungsschreiben für Strom und Gas erhalten: Worauf muss ich achten?

Es ist allseits bekannt, dass Strom- und Gasanbieter oft versuchen, ihre geplanten Preiserhöhungen im Mitteilungsschreiben regelrecht zu verstecken – als hofften sie darauf, dass Kund*innen das Wichtigste einfach überlesen. Lesen Sie daher jeden Brief und jede E-Mail Ihres Anbieters gründlich durch, auch wenn das Schreiben auf den ersten Blick gar nicht wichtig erscheint. Auf folgende Punkte sollten Sie ein besonderes Augenmerk legen:

  • Absender und Betreff von E-Mails: Es kann vorkommen, dass Sie per E-Mail über eine Energiepreiserhöhung informiert werden, aber weder der Absendername mit dem Ihres Anbieters identisch ist, noch der Betreff etwas von der Preisänderung vermuten lässt. Öffnen Sie daher am besten jede E-Mail, die etwas mit Ihrer Energieversorgung zu tun hat.
  • Preiserhöhungsschreiben ähnelt einem Werbebrief: Wer kennt nicht die lästige Werbepost, die meist ungeöffnet im Papierkorb landet? Doch Vorsicht, Energieanbieter „tarnen“ ihre Preiserhöhungsschreiben gerne als Werbebriefe.
  • Langes Schreiben mit ganz anderem Betreff: Häufig werden Preiserhöhungen bei Strom und Gas nur am Rande erwähnt, während sich das Schreiben um viele andere Themen dreht.
  • Betonung von nebensächlichen Änderungen: Lesen Sie das Schreiben am besten von vorne bis hinten durch. Oft wird auf der ersten Seite hervorgehoben, dass zum Beispiel der Grundpreis sinkt, obwohl die Preissenkung nur geringfügig ist, während die wichtigere Information zu höheren Arbeitspreisen auf den Folgeseiten versteckt ist.

Strom- und Gaspreispreiserhöhungen 2022

Die deutsche Strom- und Gaspreisentwicklung der letzten Jahre lässt erahnen, dass auch künftig noch mit spürbaren Erhöhungen zu rechnen ist. Grund dafür sind vor allem die jüngst angestiegenen Preise an den Energiemärkten. So hatte beispielsweise der Strom im letzten Quartal 2021 ein Rekordhoch erreicht. Es ist deshalb wichtiger denn je, dass Verbraucher ihre Rechte bei Energiepreiserhöhungen kennen und ihr Sonderkündigungsrecht nutzen.

Sonderkündigungsrecht: Wann kann ich fristlos den Energieanbieter wechseln?

Grundsätzlich steht Ihnen bei jeder Vertragsänderung Ihres Energieanbieters, also auch bei Strom- und Gaspreiserhöhungen, ein Sonderkündigungsrecht zu (§ 5 Abs. 3 StromGVV/GasGVV beziehungsweise § 41 Abs. 5 EnWG). Das bedeutet, Sie können Ihren Vertrag fristlos zum Zeitpunkt der eintretenden Preiserhöhung kündigen und danach sofort zu einem anderen Anbieter wechseln. Ihr alter Anbieter darf hierfür kein gesondertes Entgelt von Ihnen verlangen.

Wichtig ist, dass Sie in den meisten Fällen nur 14 Tage Zeit haben, um von Ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen. Sobald Sie also von einer Preisänderung erfahren, sollten Sie schnellstmöglich tätig werden und Ihren Vertrag selbst kündigen.

Tipp: Rechtzeitig den Anbieter wechseln! 

Wenn Sie Ihren Grundversorgungsvertrag wegen erhöhter Energiepreise gekündigt haben, sollten Sie sicherstellen, dass Sie zügig zu einem neuen Anbieter wechseln. Können Sie innerhalb eines Monats den Wechsel nachweisen (zum Beispiel durch Vertragsschluss), dann müssen Sie die Preiserhöhung in der Übergangsphase nicht zahlen (§ 5 Abs. 3 StromGVV/GasGVV).

Ausnahme: Kein Sonderkündigungsrecht bei „separierter Preisanpassungsklausel“

Eine Ausnahme beim Sonderkündigungsrecht bildet die sogenannte „separierte Preisanpassungsklausel“, die sich manchmal in den AGB von Energielieferverträgen findet. Eine solche Klausel wird für den Fall vereinbart, dass einzelne Preisbestandteile teurer werden, auf die der Energieanbieter gar keinen Einfluss hat (zum Beispiel Steuern, Umlagen oder Abgaben). Derartige Posten dürfen gesondert angepasst und eins zu eins an den Endverbraucher übertragen werden. Kann sich Ihr Anbieter bei Preiserhöhungen darauf berufen, haben Sie in der Regel kein Sonderkündigungsrecht. Doch auch eine separierte Preisanpassungsklausel kann unwirksam sein und sollte im Zweifelsfall immer anwaltlich geprüft werden!

Energievertrag kündigen: Welche Angaben müssen mit rein?

Die Kündigung Ihres Energievertrags müssen Sie schriftlich einreichen. Das Kündigungsschreiben sollte folgende Punkte beinhalten:

  • Anschrift und Datum
  • Ihre Kunden- und Zählernummer
  • Berufung auf das Sonderkündigungsrecht
  • Hinweis: „Fristgerechte Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt“
  • Aufforderung zu einer Kündigungsbestätigung
  • Ihre Unterschrift

Kann ich einer Energiepreiserhöhung widersprechen?

Sollte die Mitteilung über eine Preiserhöhung bei Strom und Gas nicht die oben genannten Kriterien erfüllen oder haben Sie gar keine Benachrichtigung erhalten, können Sie der Erhöhung schriftlich widersprechen. Gegebenenfalls kann es auch sinnvoll sein, den erhöhten Preis zunächst unter Vorbehalt zu zahlen, bis Ihr Anbieter beweist, dass er Sie ordnungsgemäß informiert hat. Lassen Sie sich im Zweifelsfall am besten anwaltlich beraten, denn ein erfolgreicher Widerruf hängt oft von der richtigen Wortwahl ab.

Zusätzlich können Sie sich an die Bundesnetzagentur sowie an die Verbraucherzentrale in Ihrem Bundesland wenden. Dort werden immer wieder Musterfeststellungsklagen gegen widerrechtliche Preiserhöhungen geführt. Eine Sammelklage hat stets bessere Aussichten vor Gericht – und womöglich ist Ihr Fall nur einer von vielen.

Musterklagen gegen Primastrom und Voxenergie

Aktuell bereitet der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine Musterfeststellungsklage gegen die Energieanbieter Primastrom und Voxenergie vor. Zuletzt kam es in beiden Fällen vermehrt zu Kundenbeschwerden wegen Preisgarantien, die offenbar nicht gewährt wurden.