Versetzung Arbeitsrecht: Rechtens oder nicht?

Man hat sich gerade eingerichtet, einen großen Freundeskreis aufgebaut und auch im Job läuft alles super – wenn der Chef dann eine Versetzung anordnet, sehen die meisten Arbeitnehmer erst einmal schwarz. Doch wie weit darf der Arbeitgeber dabei gehen und wie können Sie sich gegen eine Zwangsversetzung zur Wehr setzen?

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Was Sie über die Versetzung wissen müssen

Was bedeutet Versetzung?

Was genau man unter einer Versetzung versteht, ist im Betriebsverfassungsgesetz genau definiert:

„Versetzung im Sinne dieses Gesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.“ (§ 95 Abs. 3 BetrVG)

Von einer innerbetrieblichen Versetzung spricht man rein rechtlich also, wenn der Arbeitsbereich für mindestens einen Monat gewechselt wird. Auf einen Ort ist die Definition nicht beschränkt: Eine Versetzung liegt auch dann vor, wenn Sie zwar nicht Ihren Arbeitsort wechseln, aber Ihnen andere Aufgaben als bisher zugewiesen werden oder Sie Teil einer anderen Betriebsabteilung werden.

Gut zu wissen: Umsetzung

Handelt es sich nur um eine kurzzeitige Änderung der Aufgaben oder des Arbeitsorts, spricht man von einer Umsetzung. Im Beamtenrecht wird der Begriff auch für die Zuweisung eines anderen, gleich bewerteten Arbeitsplatzes innerhalb derselben Dienststelle verwendet.

Darf mein Arbeitgeber mich versetzen?

In der Vergangenheit ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass eine Versetzung in eine andere Stadt nicht möglich ist. Stattdessen durfte nur innerhalb einer Gemeinde versetzt werden. Um sich an die Schnelllebigkeit der Gesellschaft und an die Anforderungen des modernen Arbeitsmarktes anzupassen, wurde diese Regelung sehr stark gelockert: Grundsätzlich darf ein Arbeitgeber seine Angestellten aufgrund seines Weisungsrechts bundesweit versetzen – eine Zustimmung des Arbeitnehmers ist dafür nicht nötig! 
Auch eine Versetzung ins Ausland ist grundsätzlich möglich. Das entschied der Bundesgerichtshof im November 2022 (Az. 5 AZR 336/21).

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist in § 106 der Gewerbeordnung (GewO) verankert. Darin steht:

„Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.“

Dem Weisungs- oder Direktionsrecht sind also Grenzen gesetzt:

  • Eine Weisung ist nicht gültig, wenn sie gegen anderweitige Bestimmungen aus Verträgen verstößt.
  • Eine Weisung ist nicht gültig, wenn sie nicht „nach billigem Ermessen“ erteilt wurde. Das heißt, dass eine Interessensabwägung stattfinden muss.

Auf Versetzungen bezogen bedeutet das: Wenn in Ihrem Arbeitsvertrag vereinbart wurde, dass eine Versetzung ausgeschlossen ist, darf Ihr Arbeitgeber Sie nicht an einen anderen Ort schicken. Das Weisungsrecht ist durch die vertragliche Regelung beschränkt.

Will Ihr Arbeitgeber Sie also versetzen, sollten Sie zuallererst einen Blick in Ihren Arbeitsvertrag werfen. Ist ein Tarifvertrag auf Ihr Arbeitsverhältnis anwendbar oder gibt es eine Betriebsvereinbarung können auch dort entsprechende Klauseln enthalten sein.

Viele Arbeitsverträge enthalten Versetzungsklausel

In der Regel ist es allerdings so, dass Arbeitgeber ihre Rechte vertraglich nicht schmälern: Stattdessen könnte Ihr Arbeitsvertrag auch einen sogenannten Versetzungsvorbehalt – auch Versetzungsklausel genannt – enthalten. Damit kann sich Ihr Chef noch einmal explizit das Recht einräumen, Sie auch an einem anderen Ort oder in einer anderen Abteilung einzusetzen. Enthält Ihr Vertrag eine derartige Klausel, können Sie sich nur schwer gegen die Versetzung wehren. Allerdings unterlaufen Arbeitgebern dabei häufig Formfehler, welche die Klausel nichtig machen. In jedem Fall sollten Sie Ihren Vertrag daher von einem Anwalt prüfen lassen!

Was das „billige Ermessen“ angeht, gestaltet sich die Sache etwas schwieriger: Immerhin ist es schwer, neutral zu entscheiden, wessen Interessen Vorrang haben. Werden Sie in der Filiale an einem anderen Standort dringend benötigt, weil nur Sie die geforderte Aufgabe erledigen können, hat Ihr Arbeitgeber durchaus ein berechtigtes Interesse an Ihrer Versetzung. Haben Sie allerdings schulpflichtige Kinder und geht auch Ihr Partner in Vollzeit arbeiten, kann eine Versetzung als sozial nicht gerechtfertigt angesehen werden und dementsprechend ungültig sein. So stellte sich das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im August 2015 beispielsweise auf die Seite eines Vaters von drei schulpflichtigen Kindern, der an eine 650 Kilometer entfernte Baustelle versetzt werden sollte. Die Versetzung wurde in diesem Fall als „unbillig“ deklariert (Az. 3 Sa 157/15).

Achtung: Nicht selten geht die Versetzung nicht auf betriebsbedingte Gründe zurück, sondern stellt eine Schikane dar: Können Angestellte – vor allem jene in leitenden Positionen – aufgrund Ihres Kündigungsschutzes nicht einfach gekündigt werden, wird die Versetzung in einigen Fällen als Mittel zum Zweck genutzt. Sie soll den Angestellten das Leben so schwer machen, dass sie letzten Endes von selbst kündigen oder sich auf einen Aufhebungsvertrag einlassen. Man spricht hier von einer kalten Kündigung.

Wie wehre ich mich gegen eine Versetzung?

Sind Sie mit der Versetzung nicht einverstanden, sollten Sie auf jeden Fall zunächst das Gespräch mit Ihrem Chef suchen. Eventuell lässt er sich noch umstimmen und nimmt den Versetzungsantrag zurück. Zeitgleich sollten Sie die Lage – und vor allem vertragliche Regelungen – von einem Anwalt prüfen lassen: Die Versetzung kann sich als „unbillig“ herausstellen und auch Formfehler bei der Vertragsgestaltung können dazu führen, dass die Versetzung nichtig ist.

Sie sollen versetzt werden und möchten sich dagegen wehren? In einem solchen Fall können Sie die selbstständigen Kooperationsanwälte der DAHAG einfach und bequem per Telefon oder E-Mail kontaktieren. Schildern Sie Ihre Lage und lassen Sie wichtige Verträge noch heute anwaltlich prüfen!

Arbeitsverweigerung bei unrechtmäßiger Versetzung

Ist die Versetzung unrechtmäßig, können Sie grundsätzlich von Ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen. Das heißt, Sie können die Arbeit verweigern.

Dies ist allerdings nicht unbedingt zu empfehlen, da immer ein Restrisiko bleibt: Befindet das Arbeitsgericht die Versetzung für rechtens, müssen Sie mit gravierenden Konsequenzen rechnen. Mit etwas Glück bestraft Ihr Arbeitgeber die Arbeitsverweigerung nur mit einer Abmahnung. Im schlimmsten Fall ist auch eine Kündigung nicht ausgeschlossen.

Gut zu wissen: Zusätzlich sollten Sie sich darüber bewusst sein, dass auch bei einer rechtmäßigen Arbeitsverweigerung unter Umständen der Verlust von Gehaltsansprüchen droht. Möchten Sie die Ihnen zugewiesene Arbeit nicht ausüben, müssen Sie stattdessen eine zumutbare Ersatzbeschäftigung ausüben. Verweigern Sie die Arbeit vollständig, kann das Gericht entscheiden, dass Ihnen für diese Zeit kein Gehalt zusteht.

Akzeptieren der Versetzung unter Vorbehalt

Es wird grundsätzlich empfohlen, der Versetzung erst einmal Folge zu leisten – allerdings unter Vorbehalt. Machen Sie klar, dass Sie nicht mit der Maßnahme einverstanden sind und deren Rechtmäßigkeit erst prüfen wollen. Gleichzeitig sollten Sie gegen die Versetzung Klage einreichen: Dabei muss Ihnen allerdings bewusst sein, dass sich das Verfahren über einen sehr langen Zeitraum hinziehen kann. Dem Antrag auf ein gerichtliches Eilverfahren wird nur in den seltensten Fällen stattgegebenen. Beispiele dafür sind, wenn die Versetzung ganz offenkundig rechtswidrig ist, wenn gesundheitliche Risiken damit einhergehen oder wenn Ihr berufliches Ansehen dadurch geschädigt würde.

Anspruch auf ein Zwischenzeugnis

Weil Versetzungen sehr häufig mit veränderten Tätigkeiten einhergehen, haben Sie als Arbeitnehmer in diesem Fall einen rechtlichen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis. Es wird empfohlen, von diesem Recht Gebrauch zu machen: Sollte sich nämlich herausstellen, dass Ihnen die neuen Aufgaben nicht zusagen, können Sie sich möglichst schnell nach einer neuen Stelle umsehen.

FAQ: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Versetzung im Arbeitsrecht

Muss der Betriebsrat der Versetzung zustimmen?

Ja, Ihr Arbeitgeber ist gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG dazu verpflichtet, den Betriebsrat zu informieren und dessen Zustimmung einzuholen. Nachdem der Betriebsrat über die anstehende Versetzung informiert wurde, hat dieser eine Woche lang Zeit, dem Arbeitgeber seine Entscheidung schriftlich und unter Angabe von Gründen mitzuteilen.

Vereinfacht wird die Versetzung bei leitenden Angestellten: Hier muss der Betriebsrat zwar ebenfalls informiert werden, doch ist gemäß § 105 BetrVG keine Zustimmung nötig.

Wer trägt die Kosten für die Versetzung?

Werden Sie von Ihrem Chef in eine andere Stadt versetzt, muss dieser die Kosten für den Umzug übernehmen. Dies gilt allerdings nur, wenn Ihr neuer Arbeitsort so weit vom bisherigen entfernt ist, dass Ihnen das tägliche Pendeln nicht zugemutet werden kann. Wann genau das der Fall ist, lesen Sie hier: zumutbarer Arbeitsweg

Im Arbeitsvertrag ist mein Arbeitsort genannt: Darf mein Chef mich trotzdem versetzen?

Hierbei kommt es auf die genaue Definition an, wie ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht.

Eine Flugbegleiterin sollte dabei von Ihrem Arbeitsort in Münster/Osnabrück nach Düsseldorf versetzt werden. Sie zog dagegen vor Gericht und berief sich darauf, dass der Arbeitsort in Ihrem Arbeitsvertrag klar definiert sei. Darin hieß es:

„Die Mitarbeiterin wird am 03.12.1994 im Bereich Flugbetrieb, Beschäftigungsort Münster/Osnabrück, als Flugbegleiterin eingestellt.“

Das BAG erachtete die Versetzung allerdings als rechtmäßig. Die oben genannte Formulierung mache klar, dass hier nur der Ort genannt ist, an dem die Arbeit zu beginnen hat – sprich, an dem die Flugbegleiterin „eingestellt“ wurde. Das bedeute aber nicht, dass der Arbeitsort nicht für immer dort festgeschrieben werden müsse. Die Formulierung schränke das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht ein.

Grundsätzlich gilt: Ist der Ort Ihrer Beschäftigung im Arbeitsvertrag festgehalten, kann dies eine Versetzung zwar erschweren, es macht sie aber nicht unmöglich.

Darf mir eine weniger verantwortungsvolle Arbeit zugewiesen werden?

Wie bereits erwähnt: Eine Versetzung muss nicht immer örtlich bedingt sein, sondern kann sich auch schlichtweg auf Ihr Aufgabenspektrum beziehen.

Dabei sind Ihrem Chef aber klare Grenzen gesetzt: Er darf Sie nicht an einen weniger verantwortungsvollen und/oder schlechter bezahlten Arbeitsplatz versetzen. Dies würde eine klare Benachteiligung Ihrerseits darstellen, weshalb die Versetzung rechtswidrig wäre.

Ihr Arbeitgeber kann sich dieses Recht auch nicht vertraglich vorbehalten. Eine Klausel, wonach Sie pauschal jede andere Arbeit übernehmen müssten, ist unwirksam.

Will Ihr Arbeitgeber Ihre Arbeitskonditionen signifikant verändern, bleibt ihm nichts anderen übrig, als Ihnen eine Änderungskündigung vorzulegen.

Gut zu wissen: Wenn Sie versetzt werden sollen, sollten Sie unbedingt prüfen, ob der neue Arbeitsort oder die neue Aufgabe mit indirekten Gehaltseinbußen einhergeht. So könnten Sie beispielsweise aus einem sehr lukrativen Gebiet mit hohen Provisionen in eine eher schlecht laufende Region versetzt werden. Sprechen Sie Ihren Arbeitgeber in einem solchen Fall unbedingt auf Ihre Bedenken an und versuchen Sie, als Ausgleich eine Gehaltserhöhung auszuhandeln.

Versetzung auf Wunsch des Mitarbeiters: Was muss ich beachten?

Sie wollen in eine andere Filiale wechseln, weil diese näher an Ihrem Wohnort ist? Oder wünschen Sie sich mehr Verantwortung und möchten Sie gerne eine neue Position im Betrieb einnehmen? Gründe für eine Versetzung auf eigenen Wunsch gibt es viele. Streben Sie eine Versetzung an, so sollten Sie das direkte Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten suchen. Im Anschluss stellen Sie am besten einen schriftlichen Versetzungsantrag. Beachten Sie allerdings, dass Sie im Regelfall keinen Anspruch auf eine Versetzung haben. Dieser entsteht nur dann, wenn der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht nur durch Ihre Versetzung erfüllen kann: Sind Sie in Ihrer Abteilung beispielsweise wiederholt das Opfer von Mobbing oder können Sie Ihrer eigentlichen Arbeit aufgrund eines körperlichen Leidens nicht mehr nachgehen, kann sich ein Anspruch auf Versetzung ergeben.


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