Abfindung bei Insolvenz: Was steht mir zu?
Wenn die Insolvenz droht, sind die meisten Arbeitnehmer stark verunsichert: Ist es besser, das sinkende Schiff früh zu verlassen und einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben oder zahlt sich die Treue zum Arbeitgeber unter Umständen doch noch aus? Hier erfahren Sie, wann Ihnen eine Abfindung zusteht und welche Schritte Sie ergreifen sollten, um auch bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers finanziell abgesichert zu sein.
Abfindungsanspruch: Vor oder nach Insolvenzeröffnung?
Beim Abfindungsanspruch bei Insolvenz muss immer unterschieden werden: Ist der Anspruch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden oder erst danach?
Abfindungsansprüche, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, sind in vielen Fällen leider verloren.
Eine Insolvenz begründet noch keine Abfindung
Grundsätzlich sollten Sie wissen: Nur weil Ihr Arbeitgeber Insolvenz anmelden muss, bedeutet das nicht automatisch, dass Ihnen eine Abfindung zusteht. In vielen Fällen wird ein sogenannter Sozialplan in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat erstellt. Bei diesem handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung, in welcher der Ausgleich und die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer forciert werden. Dabei kann zwar eine Abfindung für Arbeitnehmer bei Insolvenz vereinbart werden, sie muss es aber nicht. Auch die befristete Beschäftigung in einer Auffanggesellschaft oder die Finanzierung von Fortbildungen können per Sozialplan vereinbart werden.
Im Rahmen einer Insolvenz werden häufig zahlreiche Arbeitnehmer entlassen. Dabei ist es gut zu wissen, dass die Insolvenz an sich noch keinen validen Kündigungsgrund darstellt. Die Kündigung kann lediglich aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochen werden. Dann sind jedoch dieselben Anforderungen an sie gestellt wie bei betriebsbedingten Kündigungen ohne Insolvenz. Insbesondere muss eine Sozialauswahl stattfinden: Bei dieser bestimmen Kriterien wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und etwaige Behinderungen, welche Arbeitnehmer den Betrieb verlassen müssen. Sollten Sie der Ansicht sein, dass die Sozialauswahl nicht stattgefunden hat beziehungsweise dass Ihre Kündigung aus anderen Gründen unwirksam ist, können Sie Kündigungsschutzklage erheben. Dafür haben Sie ab Zugang des Kündigungsschreibens drei Wochen lang Zeit.
Mehr dazu:Kündigungsschutzklage: So setzen Sie sich gegen eine Kündigung zur Wehr!
Abfindungsansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Steht Ihnen eine Abfindung zu – beispielsweise weil Sie einen Aufhebungsvertrag unterschrieben haben oder weil Sie betriebsbedingt gekündigt wurden – und hat sich der Anspruch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergeben, stehen Ihre Chancen gut: Der Insolvenzverwalter ist dann dazu verpflichtet, Ihre Abfindung in voller Höhe auszuzahlen. Sollte dies nicht geschehen, können Sie Ihren Anspruch vor Gericht einklagen.
Ihr Abfindungsanspruch zählt in diesem Fall zu den Masseverbindlichkeiten. Das bedeutet, dass er nicht in die Insolvenztabelle aufgenommen wird. Dabei handelt es sich um eine vom Insolvenzverwalter erstellte Liste aller offenen und geprüften Forderungen. Nur weil eine Forderung in die Tabelle aufgenommen wurde, bedeutet das aber nicht, dass sie auch ausgezahlt wird. Es kommt immer darauf an, wie viel Geld am Ende des Insolvenzverfahrens vorhanden ist.
Masseverbindlichkeiten – also Ihr nach Eröffnung des Verfahrens entstandener Abfindungsanspruch – sind hingegen aus der Insolvenzmasse zu zahlen. Dabei handelt es sich um das Restvermögen Ihres Arbeitgebers. Problematisch wird es jedoch, wenn dieses Kapital lediglich die Verfahrenskosten deckt. Dann spricht man von einer sogenannten Masseunzulänglichkeit. Unter Umständen müssen Sie dann auf einen großen Teil oder auf die gesamte Abfindung verzichten.
Abfindungsansprüche vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Eine für Arbeitnehmer scheinbar aussichtslose Situation ergibt sich dann, wenn der Abfindungsanspruch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand, aber bis dahin nicht ausgezahlt wurde. Die Forderung kann dann schlichtweg nicht mehr beglichen werden und meist ist die Abfindung daher verloren.
Tipp: Sie sollten darauf achten, dieser Situation vorzubeugen! Ist Ihr Arbeitgeber schon länger in Zahlungsverzug und bemerken Sie einen deutlichen Rückgang an Aufträgen, zeichnet sich die Insolvenz häufig schon ab. Lassen Sie sich dann auf einen Aufhebungsvertrag ein oder steht Ihnen infolge einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung zu, sollten Sie darauf pochen, dass diese möglichst frühzeitig ausgezahlt wird. Setzen Sie Ihrem Arbeitgeber dazu am besten schriftlich eine Frist. So lässt sich unter Umständen vermeiden, dass die Abfindung verloren geht, weil das Insolvenzverfahren früher eröffnet wird als Sie angenommen haben. Zusätzlich dazu sollten Sie sich ein Rücktrittsrecht vom Aufhebungsvertrag einräumen lassen – für den Fall, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen die Abfindung nicht rechtzeitig auszahlt. Beachten Sie allerdings, dass dieses Rücktrittsrecht nur vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens greift: Das Bundesarbeitsgericht hat 2011 entschieden, dass der Rücktritt nach der Insolvenzeröffnung nicht mehr möglich ist, weil der Arbeitgeber dann ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters gar nicht mehr zahlen darf. Die rechtliche Grundlage für den Rücktritt ist somit entfallen (Az. 6 AZR 357/10).