Versicherung zahlt nicht: Was jetzt?

Stellen Sie sich das folgende Szenario vor: Sie zahlen Monat für Monat Ihre Versicherungsbeiträge und wenn Sie Ihre Versicherung endlich einmal in Anspruch nehmen wollen, weigert sich diese, den Schaden zu zahlen. In einem solchen Fall sollten Sie nicht einfach resignieren, sondern den Sachverfall noch einmal genauer unter die Lupe nehmen: Häufig kann die Versicherung keinen validen Grund für die Nichtzahlung vorweisen.

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Wann zahlt die Versicherung und wann nicht?

Wenn Sie herausfinden wollen, ob Ihre Versicherung den Schaden übernehmen muss, sind das deutsche Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und Ihre Versicherungskonditionen die ersten Anlaufstellen. Es mag zwar mühsam sein, doch Sie sollten sich das Kleingedruckte genauer ansehen: Hier steht in der Regel geschrieben, welche Schäden in Ihrem Tarif versichert sind und welche nicht.

Nehmen wir einmal an, Ihr Schaden ist grundsätzlich versichert. Auch dann kann die Versicherung sich noch aus unterschiedlichen Gründen weigern, die Kosten zu übernehmen. Zu den häufigsten Gründen, weshalb Versicherungen nicht zahlen, zählen die folgenden:

  • Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht

    Einige Versicherer stellen Ihnen vor Vertragsabschluss zahlreiche Fragen. Dies erlaubt es der Versicherung einzuschätzen, ob Sie sich als Versicherungsnehmer eignen oder ob das mit Ihnen verbundene Risiko vielleicht zu groß ist. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) müssen Sie beispielsweise eine Reihe Gesundheitsfragen beantworten: Arbeiten Sie als Postbote und haben Sie bereits mehrere Bandscheibenvorfälle hinter sich, stehen Ihre Chancen auf eine BU beispielsweise eher schlecht. Dasselbe gilt bei der Zahnzusatzversicherung: Ist bereits Zahnersatz verbaut, ist das Risiko groß, dass dieser künftig ersetzt werden muss. Auch dann darf die Versicherung Sie ablehnen, die Beiträge erhöhen oder bestimmte Leistungen ausschließen. Dennoch sollten Sie immer bei der Wahrheit bleiben: Verschweigen oder beschönigen Sie Ihre Angaben, kann das im Zweifelsfall teuer für Sie werden. Im Schadensfall kann die Versicherung dann nicht nur den Vertrag mit Ihnen kündigen, sondern auch bisher gezahlte Beiträge einbehalten und sogar bereits erbrachte Leistungen zurückfordern.

  • Grobe Fahrlässigkeit

    Versicherer können Fahrlässigkeitsschäden an sich zwar nicht mehr pauschal ausschließen, doch können Sie bei grober Fahrlässigkeit die Leistung drastisch kürzen. In besonders schweren Fällen können Sie die Leistung sogar gänzlich verweigern. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) beispielsweise im Jahr 2011, dass die Kfz-Versicherung die Zahlung bei Drogen am Steuer verweigern kann.

     

    Beispiele für grobe Fahrlässigkeit:

     

    • Überfahren einer roten Ampel
    • Alkohol oder Drogen am Steuer
    • Ein offenes Feuer, das lange unbeaufsichtigt bleibt (z. B. Kerzen in der Wohnung)
    • Nicht abgesperrtes Fahrrad
    • Nicht abgeschlossene Wohnungstür
    • Wasserschaden durch übergelaufene Badewanne

     

    Der Unterschied zwischen „einfacher“ Fahrlässigkeit und grober Fahrlässigkeit ist nicht immer klar ersichtlich. Stoßen Sie aus Versehen gegen die Tischkante und fällt dabei das teure Tablet Ihrer besten Freundin auf den Boden, wodurch das Display zerspringt, dann können Sie in der Regel nichts dafür. Es liegt „einfache“ Fahrlässigkeit vor. Erkennen Sie hingegen die Gefahr und missachten Sie diese, kann es sich um grobe Fahrlässigkeit handeln. Das ist beispielsweise auch dann der Fall, wenn Sie Ihr neues Handy im Auto liegen lassen und dieses nicht absperren. Kaum eine Versicherung wird Ihnen das Handy in diesem Fall erstatten.

     

  • Vorsatz

    Ihre Versicherung muss auch dann nicht zahlen, wenn Sie einen Schaden vorsätzlich verursachen. Um Vorsatz handelt es sich grundsätzlich dann, wenn Sie den Schaden wissentlich oder absichtlich herbeigeführt haben. Werfen Sie im Rahmen einer Streitigkeit mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin beispielsweise mit dem teuren Porzellan um sich, wird die Versicherung dafür nicht aufkommen.

  • Unterversicherung

    Von Unterversicherung ist dann die Rede, wenn die Höhe des Schadens die maximale Versicherungssumme übersteigt. Ein Beispiel: Ihre Hausratversicherung sieht eine Höchstsumme von nur 30.000 Euro vor. Bei einem Diebstahl kommen jedoch zahlreiche Wertgegenstände abhanden, die diesen Wert klar übersteigen. Insgesamt beläuft sich Ihr Schaden auf 50.000 Euro. Naturgemäß zahlt die Versicherung in diesem Fall nur 30.000 Euro aus. Auf den übrigen 20.000 Euro bleiben Sie sitzen.

    Zwar ist das eben beschriebene Szenario eher einleuchtend, doch ist vielen Versicherungsnehmern nicht bewusst, dass die Versicherung die Auszahlung auch bei geringeren Schäden entsprechend begrenzen kann. Kommen wir noch einmal auf das Beispiel zurück: Wenn der Wert Ihres Hausrats bei 50.000 Euro liegt, Sie diesen aber nur mit 30.000 Euro absichern, haben Sie ihn nur zu 60 Prozent abgesichert. Die Versicherung kann dann bei jeder Schadensmeldung nur 60 Prozent veranschlagen. Kommen also Gegenstände im Wert von 20.000 Euro abhanden, muss die Versicherung den Schaden nicht in voller Höhe, sondern nur zu 60 Prozent erstatten.

    Eine derartige Situation können Sie umgehen, wenn Sie bei der Wahl Ihrer Versicherung auf den sogenannten Unterversicherungsverzicht achten. Ist dieser Teil der Versicherungskonditionen, darf die Versicherung den Schaden nicht anteilig erstatten, wenn dieser unter der maximalen Versicherungssumme liegt. Auch sollten Sie grundsätzlich nach Tarifen mit einer möglichst hohen Versicherungssumme Ausschau halten. Vor allem bei der privaten Haftpflicht ist dies unumgänglich: Kommt es zu einem Personenschaden, geht es schnell um Beträge in Millionenhöhe. Oft zahlen Sie nur wenige Euro mehr, wenn Sie statt einer Mindestdeckungssumme von 10 Millionen Euro eine in Höhe von 50 Millionen Euro wählen.

  • Schaden vor Vertragsabschluss / vor Ablauf der Wartezeit

    Eine Versicherung dient dazu, Sie vor potenziellen Schäden in der Zukunft abzusichern. Es ist daher in der Regel nicht möglich, eine Versicherung abzuschließen, um sich einen Schaden aus der Vergangenheit erstatten zu lassen. Ein Beispiel: Sie haben Ihren Job verloren und möchten gerichtlich gegen die Kündigung vorgehen. Da der Schaden mit Zugang des Kündigungsschreibens bereits eingetreten ist und entsprechend in der Vergangenheit liegt, wird es Ihnen wenig bringen, jetzt noch schnell eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Bedenken Sie auch, dass die meisten Tarife mit einer Wartezeit von mehreren Monaten einhergehen. Während dieser Wartezeit kommt die Versicherung nicht für Schäden auf. Versicherer wollen sich so davor schützen, dass Versicherungsnehmer erst dann eine Versicherung abschließen, wenn der Schaden bereits absehbar ist.

     

    Häufig werben Versicherer damit, keine Wartezeit zu veranschlagen und sogar für vergangene Schäden aufzukommen. So gibt es beispielsweise Zahnzusatzversicherung, die auch dann zahlen, wenn der Behandlungsplan des Zahnarztes zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits steht. Bedenken Sie jedoch, dass derartige Tarife in der Regel mit hohen Beitragszahlungen und einer langen Vertragsbindung von meist 2 Jahren einhergehen. Kalkulieren Sie also gut durch, ob es nicht sinnvoller ist, die Rechnung aus eigener Tasche zu zahlen.

     

  • Verspätete Schadensmeldung

    Egal um welchen Schaden es sich handelt: Sie sollten Ihre Versicherung immer umgehend informieren. Melden Sie den Schaden erst sehr spät, kann es sein, dass die Versicherung darin eine Obliegenheitsverletzung sieht und sich weigert, dafür aufzukommen. Welche Meldefrist Sie jeweils beachten müssen, entnehmen Sie am besten dem Produktinformationsblatt oder Ihrem Versicherungsvertrag.

     

    Häufig kommt es bezüglich der Meldefristen zum Streit zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer: Wann genau eine Obliegenheitsverletzung vorliegt, ist nicht immer klar ersichtlich. Vor allem, wenn Sie den Schaden erst Monate später melden, müssen Sie allerdings davon ausgehen, dass die Versicherung nicht zahlt. So erging es beispielsweise einem Autofahrer, der einen Unfallschaden erst 6 Monate später meldete. Der Fall landete vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm, welches sich auf die Seite des Versicherers stellt. Eine derartig verspätete Schadensmeldung stelle eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung dar. Der Schaden hätte binnen einer Woche gemeldet werden müssen (Urteil vom 21.06.2017, Az. 20 U 42/17).

     

  • Schaden nicht ausreichend belegt

    Selbstverständlich können Sie einen Schaden nur dann geltend machen, wenn Sie diesen auch nachweisen können. Wie Sie hier am besten vorgehen, kommt ganz auf die Art der Versicherung an. Während bei der Zahnzusatzversicherung die Rechnung Ihres Zahnarztes genügt, wird die private Haftpflichtversicherung eventuell Fotos und eine Hergangsbeschreibung von Ihnen verlangen. Auch die Hausratversicherung will in der Regel Nachweise: Wurde bei Ihnen eingebrochen, ohne dass Sie Einbruchsspuren nachweisen können, wird die Versicherung den Schaden eher nicht begleichen.

     

    Gerade wenn es um die Regulierung eines Immobilienschadens geht, kann sogar ein Gutachter nötig sein: Weigert sich Ihre Gebäudeversicherung etwa bei einem Wasser- oder Brandschaden zu zahlen, können Sie beim zuständigen Amtsgericht ein selbstständiges Beweisverfahren beantragen. Das Gericht stellt dann einen unabhängigen Sachverständigen, der den Schaden genau unter die Lupe nimmt. Von Vorteil ist dabei, dass dieses Gutachten im Gegensatz zu einem privat beauftragten Gutachten vor Gericht als Beweis zugelassen ist.

     

Schleppende Regulierung: Der Trick der Versicherer

Eine Versicherung muss den gemeldeten Schaden zunächst prüfen und darf sich dafür auch die nötige Zeit nehmen. Zu viel Zeit darf sich die Versicherung dabei jedoch nicht lassen: Zögert die Versicherung die Zahlung des Schadens zu lange hinaus, stellen sich Gerichte im Zweifelsfall meist auf die Seite des Versicherungsnehmers.

Der Begriff „schleppende Regulierung“ bezeichnet das absichtliche Hinauszögern einer Versicherungsleistung. Einige Versicherer lassen sich absichtlich etwas mehr Zeit bei der Regulierung von Schäden und hoffen darauf, dass der Versicherungsnehmer den Schaden währenddessen vergisst und sich nicht wieder meldet. Haben Sie das Gefühl, dass sich Ihre Versicherung unnötig viel Zeit lässt, sollten Sie diese umgehend kontaktieren: Der Versicherer muss einen Grund für die Verzögerung nennen.

In extremen Fällen haben Versicherungen die Schadensregulierung in der Vergangenheit um mehrere Jahre hinausgezögert. So beanspruchte eine Haftpflichtversicherung infolge eines Unfallschadens mehr als 5 Jahre für die Prüfung des Schadens. Das OLG Köln sprach dem Versicherungsnehmer aufgrund der schleppenden Regulierung ein erhöhtes Schmerzensgeld zu. Auch die Kosten für den Anwalt musste am Ende die Versicherung übernehmen (Urteil vom 26.05.2000, Az. 10 U 471/99).

Verbraucher-Tipp: Wenn die Versicherung sich zu lange Zeit lässt, können Sie nicht nur die Regulierung des Schadens geltend machen. Die Versicherung muss Ihnen dann im Zweifelsfall auch Verzugszinsen zahlen. Immerhin konnte sie in der Zwischenzeit mit Ihrem Geld wirtschaften.

Versicherung zahlt nicht: So gehen Sie vor!

Sie haben jahrelang immer Versicherungsbeiträge gezahlt und dann weigert sich Ihr Versicherer einen Schaden zu begleichen? Sie sollten in diesem Fall keinen aussichtslosen David-gegen-Goliath-Kampf befürchten und direkt klein beigeben. Es gibt zahlreiche offizielle Beschwerdemöglichkeiten, die Sie nutzen können.

Schritt 1: Beschwerdemanagement der Versicherung

Jede Versicherung ist dazu verpflichtet, ein offizielles Beschwerdemanagement anzubieten. Weigert sich die Versicherung zu zahlen oder bekommen Sie keine Antwort auf Ihre Schadensmeldung, sollten Sie es zunächst hierüber versuchen.

Schritt 2: Beschwerde bei der BaFin

Wenn Ihre Beschwerde bei der Versicherung keinen Erfolg mit sich bringt, können Sie sich in zweiter Instanz an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wenden. Diese dient als neutrale Prüfinstanz und kontrolliert, ob der Versicherer sich an alle rechtlichen Vorgaben gehalten hat. Darüber hinaus fordert die Beschwerdestelle der BaFin auch eine Stellungnahme der Versicherung an.

Schritt 3: Ombudsmann hinzuziehen

Der Ombudsmann für Versicherungen strebt im Streitfall die außergerichtliche Einigung zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer an. Das Verfahren ist dabei für Sie kostenlos. Die Schlichtungsstelle finanziert sich durch Fallpauschalen, die die Mitglieder – also die Versicherungen selbst – zahlen.

Der Versicherungsombudsmann kümmert sich um alle Beschwerden zu den folgenden Versicherungen:

  • Hausratversicherung
  • Gebäudeversicherung
  • Haftpflichtversicherung
  • Rechtsschutzversicherung
  • Kfz-Versicherung
  • Unfallversicherung
  • Lebensversicherung
  • Rentenversicherung
  • Berufsunfähigkeitsversicherung

Das Schlichtungsverfahren über den Ombudsmann dauert in der Regel weniger als 3 Monate. Über 40 Prozent der Beschwerden sind erfolgreich.

Sie wollen im Streit mit Ihrer Versicherung einen Ombudsmann hinzuziehen? Das kostenlose Beschwerdeformular finden Sie hier: Schlichtungsantrag Ombudsmann für Versicherungen

Schritt 4: Klage einreichen

Wenn Sie außergerichtlich scheitern, bleibt Ihnen nach wie vor der Gang vor Gericht. Hierbei sollten Sie sich jedoch Unterstützung von einem Anwalt oder einer Anwältin holen. Schätzen Sie Ihre Erfolgschancen zu optimistisch ein, müssen Sie bei einem verlorenen Prozess mit hohen Kosten rechnen. Wenn der Streitwert bei mehr als 5.000 Euro liegt, ist die anwaltliche Vertretung sogar verpflichtend.