AGG: Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht

Im deutschen Arbeitsrecht herrscht der sogenannte Gleichbehandlungsgrundsatz, wonach einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich benachteiligt werden dürfen. Dieser gilt beispielsweise bei der Anzahl der Urlaubstage oder bei der Zahlung von Sonderleistungen. So kann Ihr Arbeitgeber beispielsweise nicht ohne sachlichen Grund festlegen, dass der Rest Ihrer Abteilung dieses Jahr Weihnachtsgeld bekommt, Sie aber nicht.

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als Erweiterung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

Was besagt der Gleichbehandlungsgrundsatz?

Zusammengefasst gilt: Der Arbeitgeber darf einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die in einer vergleichbaren Lage sind, bei selbst geschaffenen Regelungen nicht ungleich behandeln.

Hier ein einfaches Beispiel: In Ihrem Betrieb sind neben Ihnen noch neun weitere Grafikdesigner auf derselben Hierarchieebene angestellt. Weil sechs von ihnen dieses Jahr eine besonders gute Leistung erbracht haben, verspricht der Chef ihnen Weihnachtsgeld. Sie und drei Ihrer Kollegen sollen eine derartige Leistung nicht bekommen.

Dieses Vorgehen stellt einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht dar. Das freiwillig gezahlte Weihnachtsgeld stellt eine begünstigende Maßnahme dar und muss allen vergleichbaren Angestellten ausgezahlt werden.

Was passiert bei einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz?

Verstößt ein Arbeitgeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hat der betroffene Arbeitnehmer einen Anspruch auf die erbrachte Leistung. Es handelt sich hierbei um eine „Korrektur nach oben“. Statt die jeweilige Leistung – zum Beispiel Weihnachts- oder Urlaubsgeld – einfach allen zu streichen, ist Ihr Arbeitgeber verpflichtet, es allen auszuzahlen.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das im August 2006 in Kraft trat und erstmals klar definierte Regelungen für den zuvor lediglich durch die Rechtsprechung definierten Gleichbehandlungsgrundsatz schuf, geht noch einen Schritt weiter: Gemäß § 15 AGG kann sich aus einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot auch ein Anspruch auf Schadenersatz oder finanzieller Entschädigung ergeben.

Wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen, sollten Sie zunächst den Kontakt zum Betriebsrat oder zu einer anderen in Ihrem Unternehmen zuständigen Stelle suchen. Immerhin haben Sie gemäß § 13 AGG ein Beschwerderecht. Wenn Sie dort nicht auf offene Ohren stoßen, können Sie die selbstständigen Kooperationsanwälte der DAHAG per Telefon oder E-Mail kontaktieren. Diese schätzen Ihre Lage für Sie ein und geben Tipps für das weitere Vorgehen.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz und die Urlaubsplanung

Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet zwar meist Anwendung, wenn es um Einmalzahlungen oder Sonderleistungen geht, er wirkt sich aber auch auf die Urlaubsplanung aus. Ihr Chef darf einzelnen Angestellten nicht weniger Urlaub gewähren als anderen. Das gilt auch für Teilzeitkräfte oder Minijobber: Hier muss der Urlaubsanspruch zwar anteilig berechnet werden, doch darf er nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub heruntergesetzt werden, wenn alle anderen Angestellten zum Beispiel zwei zusätzliche Tage bekommen.

Dieselbe Regelung gilt auch bei der Gewährung von Sonderurlaub: Wenn Ihr Arbeitgeber Ihren Kollegen einen zusätzlichen Urlaubstag für die Hochzeit oder einen Umzug einräumt, darf er Ihnen diesen nicht einfach verweigern.

Gut zu wissen: Die Rechtsprechung geht davon aus, dass dann ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt, wenn mehr als 5 Prozent der Angestellten willkürlich bevorzugt werden. Sprich: Arbeiten in Ihrem Betrieb hundert Beschäftigte und hat Ihr Chef bisher drei davon Sonderurlaub gewährt, können Sie sich nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Es handelt sich hier – laut Rechtsprechung – noch um eine Ausnahme, nicht um eine fest aufgestellte Regel.

Wirkt sich der Gleichbehandlungsgrundsatz auch auf die Lohngestaltung aus?

Bei der Lohngestaltung spielt der Gleichbehandlungsgrundsatz grundsätzlich keine Rolle. Hier greift die Vertragsfreiheit gemäß § 105 Gewerbeordnung (GewO), die es dem Arbeitgeber ermöglicht, individuelle Vereinbarungen in Arbeitsverträgen zu treffen. Dazu zählt auch die Höhe des Gehalts. Zudem geht die Rechtsprechung davon aus, dass es gute und vor allem vielfältige Gründe geben kann, weshalb ein Angestellter für die gleiche Arbeit mehr Lohn erhält. Es kann zum Beispiel sein, dass dieser schlichtweg mehr Berufserfahrung mitbringt.

Diskriminierung bei der Lohngestaltung

Nicht rechtmäßig wäre allerdings, wenn die schlechtere Bezahlung eine Diskriminierung im Sinne des AGG darstellt.

So dürfen Arbeitnehmer nicht aufgrund ihres Geschlechts, ihres Alters, einer Behinderung, ihres Glaubens, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt werden. Bezahlt ein Arbeitgeber Frauen also grundsätzlich schlechter als Männer, kann er sich nicht länger auf seine Vertragsfreiheit berufen. Es liegt dann ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vor.

Das Entgelttransparenzgesetz soll Abhilfe schaffen Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) trat am 6. Juli 2017 in Kraft und soll in erster Linie dazu dienen, das Lohngefälle zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitern (Gender Pay Gap) auszugleichen. Zwar war die geschlechtsbasierte Ungleichbezahlung auch zuvor schon durch die Regelungen des AGG nicht rechtmäßig, doch konnten nur wenige Arbeitnehmerinnen beweisen, dass die männlichen Kollegen grundsätzlich und bei gleicher Arbeit mehr Lohn erhalten. Gemäß § 10 Entgelttransparenzgesetz haben Arbeitnehmer – egal ob Mann oder Frau – nun jedoch einen Anspruch auf Auskunft über die Bezahlung vergleichbarer Angestellter des jeweils anderen Geschlechts. Der Anspruch greift bei Betrieben mit regelmäßig mehr als 200 Mitarbeitern.

Bundesarbeitsgericht (2023): Equal Pay ist keine Verhandlungssache

Gleiche Bezahlung ist keine Frage des Verhandlungsgeschicks - das entschied das Bundesarbeitsgericht im Februar 2023. Eine Frau hatte auf Zahlung der Differenzbeträge zum Gehalt eines männlichen Kollegen und auf Entschädigung geklagt. Dessen monatliches Bruttogehalt lag 1.000 Euro über dem der Klägerin. Die Begründung des Arbeitgebers: Der männliche Kollege habe besser verhandelt. 
Während die Vorinstanzen die Klage abwiesen, gab das Bundesarbeitsgericht der Frau nun Recht: Verhandlungsgeschick zähle nicht als Argument für eine unterschiedliche Bezahlung. Lediglich objektive Gründe wie Qualifikation oder Berufserfahrung können bei gleicher Tätigkeit eine unterschiedliche Bezahlung rechtfertigen. (Az. 8 AZR 450/21)

Wegweisende Urteile: Was gilt als Diskriminierung und was nicht?

Mehr Urlaubstage für ältere Angestellte: Altersdiskriminierung?

Ein Arbeitgeber gewährte Angestellten ab 58 Jahren zwei zusätzliche Urlaubstage. Eine jüngere Angestellte empfand dies als Diskriminierung und zog vor Gericht. Das Bundesarbeitsgesetz wies die Klage jedoch zurück: Es liege keine Altersdiskriminierung vor, weil die zusätzlichen Urlaubstage sachlich begründet werden können. Immerhin gehe ein höheres Alter auch mit einem höheren Erholungsbedarf einher. Der Arbeitgeber wolle durch den zusätzlichen Urlaub lediglich die Gesundheit seiner Angestellten fördern (Urteil des BAG vom 21. Oktober 2014, Az. 9 AZR 956/12).

Mindestkörpergröße als Einstellungskriterium unzulässig

In einer Ausschreibung für eine Pilotenausbildung wurde darauf hingewiesen, dass lediglich Bewerber ab einer Körpergröße von 1,65 cm für die Ausbildungsplätze infrage kämen. Das Landesarbeitsgericht Köln sah darin eine Diskriminierung gegenüber Frauen: Immerhin würde das Einstellungskriterium Statistiken zufolge zehnmal so viele Frauen betreffen wie Männer. Auch unter dem Gesichtspunkt der Flugsicherheit sei die Mindestkörpergröße als Auswahlkriterium nicht gerechtfertigt (Urteil des LAG Köln vom 25. Juni 2014, Az. 5 Sa 75/14).

Diskriminierung in Stellenausschreibung: Arbeitgeber sucht „junge engagierte Angestellte“

Ein Arbeitgeber suchte per Stellenausschreibung explizit nach „jungen engagierten Angestellten“. Die Formulierung hielt vor dem Bundesarbeitsgericht nicht stand: Im vorliegenden Fall lagen noch weitere Indizien vor, die dafür sprachen, dass der Arbeitgeber bei der Wahl seiner Mitarbeiter bevorzugt junge Bewerber in Betracht zog. Ein älterer Bewerber wurde grundlos abgelehnt, weshalb ihm von den Richtern eine finanzielle Entschädigung zugesprochen wurde (Urteil des BAG vom 15. Juli 2009, Az. 5 AZR 486/08).

Arbeitgeber erhöht Lohn als finanziellen Ausgleich

Ein Arbeitgeber hat sich dazu entschieden, den Lohn von ausgewählten Angestellten zu erhöhen. Dabei handelte es sich um Beschäftigte, die zuvor während einer Flaute einer freiwilligen Lohnminderung zugestimmt hatten. Das Bundesarbeitsgesetz erachtete das Vorgehen als gerechtfertigt: Der höhere Lohn stellt in erster Linie einen finanziellen Ausgleich für die vorhergehenden Lohneinbußen dar (Urteil des BAG vom 15. Juli 2009, Az. 5 AZR 486/08).

Arbeitgeber will Mitarbeiter durch Einmalzahlung an sich binden

Anders wurde entschieden, als ein Arbeitgeber ausgewählten Angestellten eine Sonderzahlung auszahlen wollte, weil diese zuvor einer unbezahlten Erhöhung der Wochenarbeitszeit zugestimmt hatten. Hier urteilte das Bundesarbeitsgericht, dass die Einmalzahlung nicht in erster Linie einen finanziellen Ausgleich sondern vielmehr ein Mittel zur Bindung der Arbeitnehmer darstelle. Die übrigen Arbeitnehmer würden durch die Zahlung diskriminiert (Urteil des BAG vom 5. August 2009, Az. 10 AZR 666/08).

Ob Teilzeit oder Vollzeit - gleicher Stundenlohn für gleiche Arbeit

Ein Rettungsassistent hatte geklagt, weil er pro Stunde 12 statt 17 Euro verdiente. Der Arbeitgeber hatte den niedrigeren Stundenlohn mit höherem Organisationsaufwand für die Stundeneinteilung der Teilzeitkräfte begründet, wenn diese ihre Arbeitszeit individuell wählen dürfen. Das sieht das Bundesarbeitsgericht in oberster Instanz anders: Bei identischer Tätigkeit und gleicher Qualifikation haben Teilzeitbeschäftigte und Minijobber Anspruch auf den gleichen Stundenlohn wie Vollzeitkräfte (Urteil des BAG vom 18. Januar 2023, Az. 5 AZR 108/22).

Hinweisgeberschutzgesetz soll Whistleblower vor Repressalien bewahren

Wenn Beschäftigte in ihrem beruflichen Umfeld Korruption, Betrug oder andere Missstände bemerken, verlangt es unter Umständen Courage, sie aufzudecken. Schließlich könnte sich die Meldung negativ auswirken: Sie könnten bei der nächsten Beförderung „vergessen“ werden oder möglicherweise wird der Arbeitsvertrag nicht verlängert. Am 2. Juli 2023 trat deshalb das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft, das Whistleblower vor Benachteiligung oder gar Entlassung schützen soll.


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