Besteht trotz Eigenheim ein Anspruch auf ALG II?

Online-Rechtsberatung
Stand: 01.06.2012
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Zum 30.01.2010 endet mein Bezug auf Arbeitslosengeld I, welches 284,10 Euro betrug. Trotz intensiver Suche habe ich noch keine neue Anstellung gefunden.

Nun zu meinen Fragen:

Ich besitze ein Einfamilienhaus. Nach meiner Scheidung komme ich alleine und natürlich mit Hilfe meiner Familie für alle anfallenden Kosten auf. Die 2. Wohnhälfte ist noch immer im Besitz von meinem geschiedenen Mann. Diese Jahr wird dies nun ein Rechtsstreit vor Gericht. Eine gütliche Einigung ist leider nicht möglich. Das Haus habe ich geerbt und habe "dummerweise" IHN die 2. Hälfte übertragen. Die Kosten für das Hausdarlehen sind ca. 400,00 Euro im Monat, insgesamt ca. 900,00 Euro monatlich. Abgesichert bin ich durch eine Riesterrente.

Nun meine Frage, bekomme ich nun Arbeitslosengeld II und wie wird dies errechnet?

Antwort des Anwalts

Sehr geehrte Mandantin,

Sie bekommen Arbeitslosengeld II, wenn Sie kein ausreichendes Einkommen und kein verwertbares Vermögen haben. Davon abgesehen dürfen Sie auch nicht mit jemandem zusammen leben, der genug Geld hat, um für Sie auch noch zu sorgen.
Grundsätzlich wird bei ALG II zwischen der Regelleistung (für den Lebensunterhalt) und den Kosten der Unterkunft und Heizung getrennt.
Wenn Sie allein leben, haben Sie Anspruch auf eine Regelleistung in Höhe von 359,00 € (angenommen es ist kein verwertbares Vermögen vorhanden, dazu später mehr). Leben Sie mit einem Partner zusammen, bilden Sie eine Bedarfsgemeinschaft. In dieser hat jeder einen Regelleistungsanspruch in Höhe von 323,00 €. Würde Ihr Partner nun Geld verdienen, dann müßte zunächst errechnet werden, wie viel dieses Einkommens als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft, welche Sie mit ihm bilden angerechnet werden kann.
Bei Erzielen von Erwerbseinkommen wird gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II anstelle der abziehbaren Beiträge für Versicherungen und Altersvorsorge sowie für Werbungskosten ein pauschaler Grundfreibetrag von 100,00 € abgezogen. Übersteigt das Nettoerwerbseinkommen 400,00 € können anstatt dieser Pauschale die tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt werden. Die tatsächlichen Aufwendungen sind im Wesentlichen die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro, die Werbungskostenpauschale in Höhe von 15,33 Euro, die Kosten für Riesterrente und KFZ-Haftpflichtversicherung sowie die Entfernungspauschale in Höhe von 0,20 € je Entfernungskilometer. Statt der Entfernungspauschale können jedoch auch die tatsächlichen Kosten abgesetzt werden, soweit diese notwendig sind und vom Antragsteller nachgewiesen werden. Darüber hinaus bleibt vom ?monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit? nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 in Verbindung mit § 30 SGB II noch ein gesonderter Freibetrag anrechnungsfrei. Als Einkommen wird hier das steuerrechtliche Bruttoeinkommen angesetzt. Der Freibetrag beträgt:
? 20 % des Bruttoeinkommens zwischen 100,00 € und 800,00 € und
? 10 % des Bruttoeinkommens zwischen 800,00 € und 1.200,00 bzw. 1.500,00 €
Einkommensanteile über 1.200,00 € werden in voller Höhe angerechnet. Hat der erwerbsfähige Hilfebedürftige mindestens ein minderjähriges Kind, oder befindet sich mindestens ein minderjähriges Kind in der Bedarfsgemeinschaft, gilt dies erst für Einkommensanteile über 1.500,00 €.
Nun müssen die Kosten der Unterkunft und Heizung festgestellt werden, diese würden auf die Anzahl der Bewohner der Wohnung aufgeteilt. Diese Kosten der Unterkunft werden vom Einkommen abgezogen. Bleibt bei einem Mitbewohner danach noch Geld über, dann wird dieses Geld an Sie weitergereicht und Ihr Bedarf sinkt entsprechend, weil ja Einkommen da ist.
Ihr Gesamtbedarf ist immer die Regelleistung + angemessene Kosten der Unterkunft.
Was angemessene Kosten der Unterkunft sind, ist in jeder Stadt verschieden, hierüber haben die örtlichen Behörden Merkblätter. Da Sie ein Eigenheim bzw. ein halbes Eigenheim haben, gilt folgendes:
Kosten werden übernommen, wenn Ihr Eigentum angemessen ist.
Das Grundstück sollte maximal etwa 550 qm groß sein. Die Wohnung das Haus bei einem 4 Personenhaushalt ca. 130 qm Wohnfläche haben. Alleinstehende können noch bis zu 90 qm Wohnfläche als Eigentum haben. Diente das Haus ursprünglich als Familienheim und sind die erwachsenen Kinder inzwischen ausgezogen, dann kann auch ein größeres Haus als 90 qm als angemessen angesehen werden.
Für den Fall, dass eine Immobilie zu groß ist, weist das zweite Sozialgesetzbuch Auswege auf. Dies gilt gerade für Ältere, die Arbeitslosengeld II beantragen. Um zu vermeiden, dass die Betroffenen wegen einer vorübergehenden Notlage ihr Haus verkaufen müssen, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen in Härtefällen Leistungen (ALG II) als Darlehen zu erbringen. Die Zahlung eines Darlehens an Hausbesitzer kann dabei davon abhängig gemacht werden, dass ein Eintrag ins Grundbuch erfolgt, der das Darlehen der Behörde absichert.
Eigentum ist hier also nicht notwendiger Weise ein Hindernis für Arbeitslosengeld II.
Zu klären ist allerdings, welche Kosten als Kosten der Unterkunft bzw. Heizung übernommen werden können.

Zu den Wohnkosten bei selbst genutztem Wohnraum (Eigenheim, Eigentumswohnung) zählen alle Belastungen, die damit verbunden sind, wie zum Beispiel:
? Grundsteuer und sonstige öffentliche Abgaben
? Gebühren für Wasserzähler und Wassermengenregler
? Kanalbenutzungsgebühren, Niederschlagswasser, Beseitigungsbeträge, Beiträge zum Entwässerungs-verband, Deichgebühren
? Kosten der Entwässerung des Grundstückes
? Kosten der Straßenreinigung und Müllabfuhr
? Kosten der Beleuchtung gemeinsam genutzter Anlagen,
? Kosten der Reinigung des Schornsteines und der Messung des Heizungsanlage durch den Schornsteinfeger
? Kosten der Beseitigung der Abwässer und Fäkalien,
? Kosten einer Gemeinschaftsanlage,
? Wartungskosten,
? Heizungsanlagen ohne Abwasserhebeanlagen,
? Kosten eines Aufzuges
? sowie die Kosten der Gartenpflege
? und eines Hauswarts (soweit seine Tätigkeit nicht die Instandhaltung, Instandsetzung, Erneuerung, Schönheitsreparaturen oder die Hausverwaltung betrifft -vgl. LSG N-B vom 31. März 2006 -L 7 AS 343/05 ER)
Weiterhin sind natürlich Zinsen als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen zu berücksichtigen. Die Tilgung wird nur ausnahmsweise mit erstattet, notwendig ist, daß das Haus fast abgezahlt ist und die Tilgung nicht höher ist als die ortsübliche Miete einer angemessen großen Wohnung..
Die Kosten der Unterkunft werden immer nur in der Höhe übernommen werden, wie die Wohnung auch angemessen ist, d. h. es besteht die Gefahr, daß die Kosten nicht komplett übernommen werden. Nur die Heizkosten werden in der Regel voll übernommen.
Solange Sie nicht alleinige Eigentümerin des Hauses sind, wird man bei allen Kosten nur die Hälfte berücksichtigen, den Rest müßte der Exmann übernehmen, mal abgesehen von Verbrauchskosten wie Wasser und Heizung.
Ein Darlehen, welches monatlich 400,00 € kostet, dürfte eigentlich nicht zu teuer sein. Ob die Gesamtkosten von 900,00 € zu hoch sind, kann nur mittels örtlichem Mietspiegel beurteilt werden, d. h. was würde ein vergleichbares Objekt in vergleichbarer Lage an Miete kosten.
Die Riesterrente ist in jedem Fall geschütztes Vermögen, das bleibt Ihnen und wird nicht angetastet.
Ob das Haus geschützt ist, muß gesondert festgestellt werden.
Zunächst haben Sie hinsichtlich eines Vermögens natürlich Freibeträge, d. h. etwas dürfen Sie haben.
Ihr Grundfreibetrag beträgt 150,00 € mal Lebensalter, höchstens aber 13.000,00 €. Diesen haben Sie selbst, ein Lebenspartner hat nochmal denselben Freibetrag. Falls Sie vor dem 01.01.1948 geboren sind, haben Sie einen deutlich höheren Freibetrag, dieser liegt bei 520 € X Lebensalter. Hinzu kommt ein Freibetrag in Höhe von 750,00 € pro Person.
Wenn Ihr Haus den Wert des Vermögensfreibetrages nun übersteigt, müßte es verwertet werden, es sei denn, das ist nicht möglich oder unwirtschaftlich. Hier wäre eine Verwertung jedenfalls schwierig, da Sie nur Miteigentümerin sind und Hausanteile lassen sich schlecht verkaufen.
Solange Sie Hartz IV beziehen müssen wäre es übrigens nicht besonders günstig, wenn Sie die andere Eigentumshälfte zurückbekämen. Sofern Sie Kinder haben, wäre eine Lösung vielleicht, daß Ihr Mann seinen Anteil den Kindern überschreibt und Sie lassen sich noch ein lebenslanges Wohnrecht in dem Haus eintragen. Ein Wohnrecht schützt Sie vor dem späteren Rauswurf durch Miteigentümer und macht die Verwertung eines Hauses nahezu unmöglich.
Gerade das Arbeitslosengeld II ist eine sehr schwierige Sache, da die Behörden oft auf die Unwissenheit der Betroffenen setzen, ihnen Leistungen vorenthalten oder streichen, ohne dazu berechtigt zu sein. Sie sollten niemals allein zur Behörde gehen, ein Zeuge kann nicht schaden. Bei Problemen ist immer die Hilfe eines Anwalts sinnvoll. Wenn Sie einen ALG II Bescheid haben, in dem Ihnen Leistungen bewilligt werden, müssen Sie damit einfach zum örtlichen Amtsgericht gehen und dort nach Beratungshilfe fragen. Sie erhalten einen sogenannten Berechtigungsschein und können zu einem Anwalt gehen, der Ihnen nur noch 10,00 € für seine Hilfe abnehmen darf.

Nochmal zur Berechnung des ALG II:
Es gibt nur Pauschalleistungen, ein vormaliges Einkommen wie bei dem Arbeitslosengeld I ist egal.
Pauschal stehen Alleinstehenden 359 € zu, Lebenspartner bzw. Eheleuten jeweils 323 € und Kindern prozentuale Anteile davon je nach Alter. Hinzu kommen die angemessenen Kosten für die Unterkunft und Heizung, was angemessen ist, kann ich Ihnen so nicht sagen, das ist überall anders. Außerdem gibt es Zuschläge für Schwangere, Alleinerziehende sowie unter bestimmten Voraussetzungen für Behinderte, die aus medizinischen Gründen eine teure Diät brauchen.
Weiterhin gibt ungefähre Werte, wieviel man maximal verdienen darf, um noch einen Anspruch auf ALG II zu haben. Als Alleinstehende dürften Sie ca. 1.300 € im Westen oder 1.180 € im Osten verdienen und könnten noch zusätzlich ALG II bekommen, als kinderloses Paar dürfte das Einkommen im Westen bei 1.700 € im Osten bei 1.600 € liegen.
Damit Sie weiterhin krankenversichert sind, wäre ALG II schon nötig, sonst müßten Sie sich auch noch freiwillig krankenversichern.
Nach dem, was ich über Sie weiß, haben Sie einen Anspruch auf ALG II - ist das Haus sehr viel Wert und sehr groß, vielleicht nur als Darlehen -. Auf jeden Fall sollten Sie jetzt den Antrag schon stellen, da unglaublich viel gefragt wird und der 01.02. bald ist. Die Bearbeitung dauert meist. Erhalten Sie nicht rechtzeitig vor dem 01.02. einen Bescheid, dann können Sie schriftlich (mündlich geht auch) einen Antrag auf vorläufige Leistungen stellen, damit Sie nicht ohne Geld dastehen. Es genügt der Satz: Ich beantrage hiermit die Gewährung vorläufiger Leistungen, bis über meinen Antrag vom entschieden worden ist.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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