Bedarfsgemeinschaft als Grund für die Ablehnung eines Antrags auf ALG II - Wie ist hier die Rechtslage?

Online-Rechtsberatung
Stand: 17.04.2012
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich bin derzeit arbeitssuchend und beziehe noch bis Ende d. J. Arbeitslosengeld 1. Der Antrag auf Arbeitslosengeld 2 wurde schon auf Anfrage abgelehnt, da mein Lebensgefährte ein zu hohes Brutto-Einkommen hat. Wir werden als Bedarfsgemeinschaft gesehen, obwohl mein Lebensgefährte finanziell nicht in der Lage ist, mich zu versorgen. Wir sind vor einem Jahr unter der Voraussetzung in die gemeinsame Wohnung gezogen, dass jeder von uns zu gleichen Teilen für Miete, Nebenkosten und Haushaltsgeld zuständig ist. Mein Partner zahlt Unterhalt und muss zwei Darlehen abbezahlen.

Antwort des Anwalts

Sehr geehrte Mandantin,

wenn Sie einen Antrag auf ALG II stellen, muss von der ARGE zunächst der Hilfebedarf festgestellt werden. In diesem Verfahren muss natürlich Ihr vollständiges Einkommen und Vermögen berücksichtigt werden, ebenso wie die Möglichkeit, dass eine Bedarfsgemeinschaft besteht.

Die gesetzlichen Voraussetzungen der Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 SGB II geregelt. Den Gesetzestext finden Sie unter dem nachfolgenden Link:

http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__7.html

Dazu gehört nach § 7 Abs. 3 Nummer 3 c) SGB II auch eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,
Diese Voraussetzung wird eine so genannte "Einstandsgemeinschaft" genannt.

Diese Regelung will der Gesetzgeber neben dem eheähnlichen auch den lebenspartnerschaftsähnlichen Partner in die BG unter der Voraussetzung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Ernsthaftigkeitspartnerschaft einbeziehen. Es muss sich dabei nach dem Bundesverfassungsgericht bei der nicht ehelichen Einstandsgemeinschaft um eine typische Erscheinungsform des sozialen Lebens handeln, die sich hinreichend deutlich von anderen Gemeinschaften abhebt (Bundesverfassungsgericht vom 17.11.1992-BVerfGE 87, S. 264).

In der Praxis bedeutet dies, dass die zwischen den Partnern bestehende Bindung der zwischen Eheleuten/Lebenspartnern ähnlich sein muss.
Dies ist erst dann der Fall, wenn mit dem vorhandenen Einkommen und Vermögen zunächst der gemeinsame Lebensunterhalt sichergestellt wird, bevor das persönliche Einkommen/Vermögen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendet wird (Bundesverfassungsgericht ebenda,S. 265).
Darüber hinaus muss die Gemeinschaft von verlässlichen Bestand und längerer Dauer sein. Erst auf dem Boden einer verfestigten sozioökonomischen Beziehung darf die staatliche Fürsorgeleistung mit Verweis auf die Unterstützung des Partners zurückgenommen oder eingeschränkt werden.

Es ist somit anhand von Hinweistatsachen (Indizien) festzustellen, ob die Beziehung so gefestigt ist, dass der Einkommensbezieher die ihm als Partner ohne Sanktion zustehende Möglichkeit, sein Einkommen und Vermögen ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen zu verwenden, zu Gunsten des gemeinsamen Wirtschaftens unterlässt oder wesentlich einschränkt.

Ab wann eine Einstandsgemeinschaft im Sinne des Bundesverfassungsgerichtes vorliegt, ist weder in § 7 Abs. 3 Nummer 3 c) noch in § 7 Abs. 3a SGB II abschließend definiert.

Nach der Rechtsbrechung sind insbesondere folgende Hinweise für das Bestehen einer Einstandsgemeinschaft bedeutsam:

  • ohne zusätzliche Besonderheiten kann - nicht muss - frühestens nach Ablauf eines Jahres des partnerschaftlichen Zusammenlebens eine Einstandsgemeinschaft vorliegen.
  • Dauer und Intensität der Beziehung vor dem Zusammenleben,
  • der Anlass für das Zusammenleben,
  • gemeinsame Pläne, die auf eine dauerhafte Bindung hindeuten,
  • gegenseitig eingeräumte Vollmacht,
  • Begünstigung des Partners in Versicherungspolice,
  • Übernahme von Schulden des Partners oder eine Bürgschaft,
  • mehrere gemeinsame Wohnungswechsel, bei denen der Wunsch, zusammen zu bleiben, prägend war,
  • mietfreies Wohnen-lassen,
  • Umbau des Wohnraums mit Blick auf das Zusammenleben,
  • gegenseitige Nutzungsbefugnis über Vermögensgegenstände des Partners, wie zum Beispiel Auto
  • gemeinsames verbringen von Freizeit und Urlaub,
  • gemeinsame Nutzung eines Schlafzimmers

Gegen eine Einstandsgemeinschaft sprechen:

  • Aufrechterhaltung getrennter Wohnungen
  • ein ernst gemeinter und erfüllter (Unter-) Mietvertrag zwischen den Wohnungsnutzern,
  • regelmäßige Geldüberweisungen auf das Konto des Mitbewohners für anteilige Mietkosten und sonstige Aufwendungen,
  • Beziehungen zu jeweils dritten Partnern, mit denen die Freizeit (Urlaub, Hobbys) verbracht wird und die sich regelmäßig auch in der Wohnung aufhalten
  • wenn der Partner sein Einkommen überwiegend für eigene Zwecke nutzt

Diese Listen sind natürlich beliebig erweiterbar und es muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob Argumente für den einen oder den anderen Fall sprechen.

In Ihrem Fall haben Sie vereinbart, dass Sie zu gleichen Teilen für Miete, Nebenkosten und Haushaltsgeld zuständig sind. Zudem scheint es mir so, als hätten Sie bewusst diese Form des Zusammenlebens gewählt, da der Partner Unterhaltspflichten gegenüber seiner Familie hat. Dies könnten nach meinem Dafürhalten Argumente dafür sein, dass Sie hier nicht einstandspflichtig sein wollen.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Argumente, die für eine Einstandsgemeinschaft sprechen, wie beispielsweise das partnerschaftliche Zusammenleben.
Daher muss die ARGE nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Eine konkrete Vorhersage, ob in Ihrem Fall eine Einstandsgemeinschaft vorliegt oder nicht, kann nicht getroffen werden, da es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt.

Sie sollten aber in jedem Fall einen Antrag auf Leistungen nach SGB II stellen. Erfahrungsgemäß versucht die ARGE gerne, Antragsteller bereits von der Antragstellung abzuhalten, da dann über den Antrag nicht entschieden werden muss.

Wenn Sie darauf bestehen, einen Antrag zu stellen, darf der SGB II-Träger ist nicht verweigern, den Antrag anzunehmen.
Wenn Sie den Antrag stellen, ist die ARGE gezwungen, über Ihren Antrag zu entscheiden und auch darzulegen, welche Argumente und welches Ermessen sie bei der Entscheidung berücksichtigt hat. Dies ist dann im Rahmen des Widerspruchsverfahrens überprüfbar.

Darüber hinaus wäre die Rückzahlung von Darlehen bzw. die Unterhaltspflichtigen Ihres Lebenspartners bei der Feststellung der Unterhaltspflicht zu berücksichtigen.

Wenn Ihnen ein ablehnender Bescheid vorliegt, haben Sie innerhalb eines Monats ab Zustellung die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Dies würde ich in Ihrem Fall anraten.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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