Erhöhte Roamingrechnung von Mobilfunkanbieter: Was kann ich tun?

Online-Rechtsberatung
Stand: 13.12.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich habe folgenden Brief an den Mobilfunkanbieter X geschickt, aus dem die Sachlage hoffentlich gut hervor geht.

Deren Antwortschreiben (weiter unten) besteht darauf, dass X richtig gehandelt hat. Allerdings gehen sie überhaupt nicht darauf ein, dass sie laut EU-Recht die Verbindung ab 60 Euro hätten, kappen und mich informieren müssen.

Meine Frage ist nun: Muss ich die Rechnung so akzeptieren oder würde es etwas bringen, dagegen anzugehen? Wenn ja, wie? Und falls ich einen Anwalt dafür bräuchte, um welches Rechtsgebiet handelt es sich?

Mein Schreiben:

Beanstandung der Rechnung: xxxx (Rechnungsdatum: 01.06.2015)

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin langjährige Kundin bei Ihnen (Kundennummer: xxx) und muss mich jetzt leider mit einer Beschwerde an Sie wenden.

Im Mai dieses Jahres habe ich eine Reise/Kreuzfahrt angetreten. Vorab habe ich mich auf x-online versichert, dass ich mich auf der ganzen Reise in dem Gebiet der von mir gebuchten Day Packs (Italien, Kroatien und Griechenland) befinde.

Des Weiteren habe ich mich kundig gemacht, dass die Satelliten-Internet-Verbindung des Kreuzfahrtschiffs gesperrt ist und nur durch speziellen Log-in geöffnet wird (dafu¨r hätte ich mich registrieren müssen, was ich nicht getan habe).

Trotz alledem scheint sich X im Hintergrund in die Satelliten-Verbindung eingewählt zu haben (faktisch gab es für mich keine Verbindung an Bord).

Seit dem 1. Juli 2014 gilt fu¨r Roaming das EU-Recht, dass der Betreiber (X) ab 60 Euro pro Tag den Zugang kappen muss und Kunden in Kenntnis setzen muss. Diese Grenze wurde schon am 18.5. u¨berschritten und Sie haben mich nicht informiert. Am 19.5., 21.5. und 22.5. wurde diese Grenze wieder um weites u¨berschritten und Sie haben mich erst am letzten Tag (4 Tage nach dem ersten Vorfall, wobei jeder Tag ein normaler Arbeitstag war), nachdem schon u¨ber 510,- Euro an Roaming-Gebu¨hren angefallen sind, angerufen.

Wie schon gesagt, hatte ich keine Ahnung von diesen Verbindungen, ich habe mich nicht in den Satelliten des Schiffes eingeloggt und ich hatte auch keinerlei Netz an Bord.

Ich hoffe sehr, dass Sie mir in diesem Fall großzu¨gig entgegen kommen werden (laut meinem X Vertrag mit Day Pack hätte mich das Roaming 15,92 Euro kosten sollen und jetzt stehe ich mit 607,17 Euro da), da Sie mich ansonsten als Kundin verlieren werden und ich rechtliche Schritte u¨berlegen werde.

Das Antwortschreiben von X:

Guten Tag Frau Y,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 15. Juli 2015.

Gern habe ich Ihre Kundendaten geprüft und informiere Sie in schriftlicher Form.

Ich verstehe Ihre Verärgerung hinsichtlich Ihrer Rechnung. Selbstverständlich habe ich Ihre Rechnung vom 1. Juni 2015 geprüft. Das Ergebnis ist, dass diese richtig erstellt wurde.

Unser Rechnungssystem hat die Rechnung korrekt ausgewiesen. Jede Verbindung wird über die weltweit einmalige Seriennummer Ihrer SIM-Karte zugeordnet. Unsere Prüfsysteme für Verbindungen sind staatlich zertifiziert und von der BNetzA (Bundesnetzagentur) zugelassen. Daher sind Verwechslungen bei der Erhebung von Verbindungsdaten und bei der Rechnungstellung auszuschließen.

Telefonie und Datennutzung auf Schiffen, Fähren und Flugzeugen ist ggf. über entsprechende Diensteanbieter möglich und nicht auf ein einzelnes Land begrenzt. Deswegen fallen diese Gespräche auch nicht unter das Weltzonen-Billing.

Kunden werden an Bord über Hinweisschilder auf diese Dienste und die erhöhten Kosten aufmerksam gemacht.

Ich bedaure sehr, dass wir Ihrem Wunsch, der Erstattung der entstandenen Mehrkosten, leider nicht entsprechen konnten, hoffen aber, Ihnen mit unseren Ausführungen zufriedenstellend weitergeholfen zu haben. 

Antwort des Anwalts

Frage Teil 1: Allerdings gehen sie überhaupt nicht darauf ein, dass sie laut EU-Recht die Verbindung ab 60 Euro hätten, kappen und mich informieren müssen. Meine Frage ist nun: Muss ich die Rechnung so akzeptieren oder würde es etwas bringen, dagegen anzugehen?

Antwort Rechtsanwalt:

Sie müssen rechtlich gesehen diese überzogene Rechnung nicht akzeptieren. Ihre Erfolgsaussichten, im Falle einer Klage seitens von X zu obsiegen, schätze ich unter den mitgeteilten Umständen mit über 90 Prozent Wahrscheinlichkeit ein.

Wenn ja, wie?

Antwort Rechtsanwalt:

Bezahlen Sie einfach die Rechnung nicht bzw. lediglich den Ihrer Auffassung nach geschuldeten Teil. Solche überzogenen Roaming-Rechnungen waren schon vor Inkrafttreten der EU-Roaming-Verordnung nicht zulässig und danach erst recht.

Sofern Lastschriften erteilt wurden, sollten Sie überzogenen Abbuchungen bei Ihrer Bank sofort widersprechen und lediglich die geschuldete Flatrate bzw. den Betrag bis zum fraglichen Cut-off 60-Euro-Limit überweisen.

In diesem Fall empfiehlt sich auch ein schriftlicher Widerruf der erteilten Einzugsermächtigung gegenüber X, mit einer Abschrift an die eigene Bank zur Kenntnis.

Wenn X mit Sperrungen reagiert, haben Sie ein Recht zur sofortigen außerordentlichen Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund.

Sie haben die wesentlichen Argumente meiner Einschätzung nach bereits eingewendet. Der Grund, warum auf Ihre Argumente nicht eingegangen wurde, dürfte darin liegen, dass bei Ihnen routinemäßig ein vorformulierter Antwortblock eingesetzt wurde, der die wichtigsten Einwendungen betrifft. Selbstverständlich überzeugt das wenig.

Ergänzend könnten Sie noch formell die Aufrechnung erklären nach § 387 BGB *1) mit Gegenansprüchen wegen der Verletzung vertraglicher Fürsorgepflichten durch fehlende Hinweise per SMS und wegen der Versäumnis, den zugesagten Cut-off vorzunehmen, in Höhe der überzogenen Forderungen.

Formulierungsvorschlag:

Sie stellen mir in Rechnung Euro 510,00. Gemäß unserem speziellen Roaming-Vertrag schulde ich Ihnen lediglich Euro ….

Die darüber hinausgehenden Gebühren wurden von mir nicht wissentlich oder willentlich ausgelöst und stellen eine falsche Abrechnung dar. Sie haben zudem die überhöhte Rechnung zu vertreten, denn Sie haben es, wenn man zu Ihren Gunsten eine Veranlassung der Gebühren einmal unterstellen würde, sowohl unterlassen, mich rechtzeitig per SMS von der Überschreitung in Kenntnis zu setzen, und auch die laut EU-Roaming-Verordnung zwingend vorgeschriebenen Cut-off Mechanismen nicht betätigt. Sie haben sich ferner an die eigenen Zusagen und auch an die Werbeangebote nicht gehalten.

In Ihrer Antwort vom (Datum) auf mein Beschwerdeschreiben vom (Datum) haben Sie es auch nicht für nötig gehalten, darauf einzugehen. Ich verstehe darunter ein Anerkenntnis Ihres Fehlverhaltens.

Daher laste ich Ihnen die Differenz der überhöhten Abrechnung zum vertraglich geschuldeten Betrag wegen positiver Vertragsverletzung als Schadensersatz zurück und erkläre formell die Aufrechnung mit meinen Gegenansprüchen.

Hier können Sie noch der Form halber eine kleine Berechnung beifügen, aus der sich die Differenz nachvollziehen lässt, die Sie dann im Ergebnis auch überweisen.

Die Angelegenheit betrachte ich damit als abgeschlossen.

Ende des Formulierungsvorschlags

Sie können auch noch den Einwand unzulässiger Rechtsausübung erheben. Gegebenenfalls sollten Sie die Behauptung, dass es überall Hinweisschilder gegeben habe, bestreiten bzw. darauf eingehen, weshalb diese Hinweise, sofern überhaupt vorhanden, von Ihnen nicht berücksichtigt worden sind.

Ich weise noch auf folgende zwei wichtige Urteile hin, die Ihre Position klar unterstützen:

1. Amtsgericht (AG) Wiesbaden, Urteil vom 03.07.2012, Aktenzeichen 91 C 1526/12 *2):

Leitsatz:

Wird ein Mobilfunkvertrag über eine sog. Flatrate abgeschlossen, bringt der Nutzer damit zum Ausdruck, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Wird das Mobilfunktelefon dann im Ausland genutzt und entstehen dabei sehr hohe Roaminggebühren, ist der Anbieter gehalten, den Nutzer mittels SMS oder ähnlicher Nachrichten darauf hinzuweisen. Notfalls hat der Anbieter den Zugang zu sperren. Unterlässt der Anbieter dies, verletzt er eine Nebenpflicht aus dem Vertrag und kann die Kosten nicht vom Nutzer verlangen.

2. Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 09.03.2012, Aktenzeichen 10 S 12/12 *3).

Zitate aus dem Urteil

Rz. 31

Der Beklagte kann dem in Höhe von 3.366,87 € geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Roaminggebühren mit Erfolg den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est, § 242 BGB) entgegenhalten. Denn dem Beklagten steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Schadenersatz in gleicher Höhe wegen Verletzung von Warn-, Fürsorge- und Schutzpflichten zu.

Rz. 34

jeder EU-Roaming-Nutzer erhält immer dann, wenn er nach der Einreise in einen anderen Mitgliedstaat erstmalig einen Daten-Roaming-Dienst nutzt, unentgeltlich individuelle, konkrete und substanzielle Informationen über den dafür geltenden Tarif, was dem Anbieter beispielsweise durch Versendung einer SMS oder E-Mail aber auch durch Anzeige per Pop-up-Fenster auf dem Endgerät des Kunden ohne Weiteres möglich ist

Rz. 38

Die Klägerin wäre aber auch verpflichtet gewesen, die SIM-Karte zur Schadensabwendung frühzeitig zu sperren. Das Auflaufen lassen von Kosten, die die vereinbarte Vergütung um fast 100% übersteigt, verletzt die Fürsorgepflicht in außerordentlicher Weise.

Rz. 39

Der Beklagte hat das Vertragsverhältnis am 04.01.2009 rechtswirksam außerordentlich fristlos gekündigt (§ 314 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Feststellung des Amtsgerichts, dem Beklagten habe kein Kündigungsgrund zugestanden, ist rechtsfehlerhaft. Der Beklagte hat seine Kündigung auf die unberechtigte Leistungsverweigerung der Klägerin gestützt. Dies – entsprechend den vorherigen Ausführungen – völlig zu Recht. Aufgrund der Nichterfüllung der vertraglich vereinbarten Hauptleistung war es dem Beklagten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses durch ordentliche Kündigung, die gemäß Ziff. XVII Nr. 1 AGB erstmals zum 03.07.2010 (!) möglich war, nicht zumutbar.

Rz. 40

Es steht kein Anspruch auf Schadenersatz wegen Widerrufs der Einzugsermächtigung aus Ziff. VIII Nr. 8 der einbezogenen AGB zu. Aufgrund der wirksamen Vertragskündigung war das Vertragsverhältnis beendet, so daß der Widerruf der Einzugsermächtigung keine einen Schadensersatzanspruch begründende Pflichtverletzung bewirkt hat.

Zitat Ende

Auch etwaige Schlupflöcher in der EU-Verordnung *4) selbst hätten mindestens entsprechende Warnungen per SMS erfordert, was Sie bereits richtig pariert haben, und was den Umständen nach hier nicht erfolgt ist.

Abschließend darf ich auf die Möglichkeit einer Beschwerde bei der Bundesnetzagentur hinweisen *5).

Und falls ich einen Anwalt dafür bräuchte, um welches Rechtsgebiet handelt es sich?

Antwort Rechtsanwalt: Das richtige Rechtsgebiet ist das Telekommunikationsrecht.

Tipp: Verwenden Sie unsere Anwaltssuche *).

*) Unter meiner Antwort befinden sich:

Fußnoten, Zitate von einschlägigen Gesetzestexten, Urteilen, weiterführende Literatur, Links im Internet etc.

*1) § 387 BGB

Voraussetzungen

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Zitat: Artikel 15 Absatz 6 der EU-Roaming Verordnung: In dem Fall, dass sich der Kunde für die in Absatz 3 Unterabsatz 1 genannte Funktion entscheidet, finden die Anforderungen nach Absatz 3 keine Anwendung, wenn der Betreiber eines besuchten Netzes in dem besuchten Land außerhalb der Union es nicht zulässt, dass der Roaminganbieter das Nutzerverhalten seines Kunden in Echtzeit überwacht. In einem solchen Fall wird dem Kunden bei seiner Einreise in ein solches Land mit einer SMS ohne unnötige Verzögerung und kostenlos mitgeteilt, dass die Informationen über den bisherigen Nutzungsumfang und die Garantiefunktion, wonach ein angegebener Höchstbetrag nicht überschritten wird, nicht zur Verfügung stehen.

*2) Fundstellen Urteil AG Mannheim

https://openjur.de/u/434113.html

http://www.teltarif.de/daten-roaming-schockrechnung-urteil-keine-zahlpflicht/news/47477.html

*3) Fundstelle Urteil LG Saarbrücken Volltextveröffentlichungen mit weiteren Links:

https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=LG%20Saarbr%FCcken&Datum=09.03.2012&Aktenzeichen=10%20S%2012/12

http://www.teltarif.de/daten-roaming-3000-euro-klage-abgewiesen-landgericht-saarbruecken/news/46339.html

*4)

http://www.eu-verbraucher.de/de/verbraucherthemen/reisen-in-der-eu/mit-dem-handy-unterwegs/roaming/

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2012-0149+0+DOC+PDF+V0//DE

http://www.teltarif.de/daten-roaming-eu-roaming-verordnung-cut-off-mechanismus-schlupfloch-luecke/news/47645.html

http://www.bundesnetzagentur.de/

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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