Wegzug mit Kindern nach der Trennung

Online-Rechtsberatung
Stand: 23.09.2016
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich habe mich im August von meinem Mann getrennt und bin mit beiden Kindern (6+8 Jahre) ausgezogen.
Wir haben das gemeinsame Sorgerecht und somit auch das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht. Ich bin mit meiner Familie (meinem Ex-Mann und meinen beiden Kindern) vor fünf Jahren aus Hessen nach NRW gezogen. Seitdem wollte ich immer wieder zurück nach F., was aber aufgrund der beruflichen Situation meines Mannes nicht möglich war.
Jetzt habe ich mich von meinem Mann getrennt und möchte mit den Kindern wieder zurück in meine Heimat ziehen. Mein Ex-Mann jedoch blockiert den Umzug, weil er auf sein Aufenthaltsbestimmungsrecht den Kindern gegenüber besteht.
Meine Gründe warum ich zurück nach F. möchte:

  • Ich wollte nie nach NRW ziehen, habe dies aber getan, um den beruflichen Möglichkeiten meines Mannes nicht im Wege zu stehen - jetzt sehe ich keinen Grund mehr in NRW zu bleiben
  • Ich muss Abstand gewinnen - zur Ruhe kommen - ist auch für die Kinder wichtig eine emotional gefestigte Mutter zu haben
  • Unterstützung durch Eltern und Familie - hier bin ich auf meinen Ex-Mann und meine Schwiegermutter angewiesen, was aufgrund der Trennungssituation nicht immer einfach ist
  • Attraktiverer Job - mein Arbeitsverhältnis hier in NRW ist bis Mitte des Jahres befristet, ob eine Übernahme erfolgt ist fraglich, in F. habe ich die Möglichkeit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu bekommen und die Arbeitsstelle ist attraktiver als meine jetzige - dies würde auch mehr Unabhängigkeit von meinem Ex-Mann für mich bedeuten
  • Vertraute Umgebung - Heimatgefühl
  • Freundeskreis
  • Stabilisierung meines Gefühlslebens

    Seine Gründe warum er einem Umzug nicht zustimmt:

  • Weniger Kontakt zu den Kindern wegen großer Entfernung (300 km)
  • Kinder sollen nicht erneut umziehen, müssen mit der neuen Situation (Trennung) erstmal zurechtkommen
  • Möchte Einfluss auf die Erziehung behalten

    Er würde einem Umzug in ca. zwei Jahren zustimmen, wenn die älteste Tochter an eine weiterführende Schule wechselt. Dann empfindet er das Alter der Kinder soweit angemessen, dass sie die Gründe für einen Umzug besser verstehen.
    Ich hingegen finde den Zeitpunkt jetzt im Sommer für einen Umzug als angemessen, denn dann wird die jüngere Tochter eingeschult. Zudem befürchte ich, dass es den Kindern in zwei Jahren deutlich schwerer fallen wird als jetzt, da sie sich hier immer weiter im sozialen Umfeld integrieren.

    Zu erwähnen wäre, dass sich der Vater der Kinder regelmäßig um die Kinder kümmert - hier kann nicht argumentiert werden, dass er seine väterlichen Pflichten nicht erfüllt. Gibt es Erfahrungswerte, wie ein Familiengericht in einem solchen Fall entscheiden könnte?
    Ist es "wichtiger", dass die Mutter gefestigt und stabil im Leben steht, oder wiegen die Argumente des Vaters schwerer, so dass ich als Mutter meine eigenen Bedürfnisse zurück stecken muss.
    Wie schätzen Sie die Chancen bei vorliegendem Sachverhalt ein, einen Umzug vorzeitig gegen den Willen meines Ex-Mannes durchzusetzen?
    Werden die Kinder in diesem Alter bereits befragt, was die eigenen Wünsche bezüglich ihres Wohnortes betrifft?
    Gibt es Erfahrungswerte, wie lange ein möglicher Prozess dauern könnte, meine Forderung durchzusetzen?
    Wie hoch schätzen Sie die Anwalts- und Gerichtskosten ein?

Antwort des Anwalts

Sehr geehrte Mandantin,

zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es für keinen der Elternteile bei der Frage der Zuweisung der Kinder oder des Sorgerechts einen Vorteil gibt. Den viel zitierten Muttervorteil gibt es heute nicht mehr. Da die Kinder bereits bei Ihnen leben, stellt sich für Sie vornehmlich die Frage, wie Sie Ihren Ortswechsel zusammen mit den Kindern gegen den Willen des Kindesvaters durchsetzen können. Leben die Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge (hier: das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht) allein überträgt. Dies regelt § 1671 Abs. 1 BGB. Dem Antrag ist gem. Abs. 2 Nr. 1 dieser Vorschrift statt zu geben, soweit der andere Elternteil zustimmt. Dies dürfte in Ihrem Fall ausscheiden.

In Betracht käme lediglich eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts bzw. alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Danach ist dem Antrag stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Damit ist das Kindeswohl das zentrale Entscheidungskriterium bei der Übertragung des alleinigen Sorgerechts gegen den Willen des Mitsorgeberechtigten. Es sind also 2 Stufen bei der Prüfung zu beachten: Zum einen die Aufhebung der gemeinen Sorge und zum anderen die Übertragung auf den Antragsteller. Die Kindeswohlprüfung ist zunächst auf jeder dieser beiden Stufen vorzunehmen. Außerdem ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, ob das Ergebnis gegenüber dem status quo der gemeinsamen Sorge eine Verbesserung darstellt. Es kommt darauf an, ob die alleinige Sorge nach richterlicher Überzeugung die bessere Alternative für das Kind sei. Hegt das Gericht diese Erwartungen im Einzelfall nicht, ist der Antrag abzulehnen; es bleibt bei der gemeinsamen Sorge. Hält das Gericht die Alleinsorge eines Antragstellers für angezeigt, ist dieser ggf. im Umfang auf diese Bereiche zu begrenzen, in denen die Voraussetzungen des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegen. In Ihrem konkreten Fall würde ich nicht empfehlen, das alleinige Sorgerecht zu beantragen. Es besteht nach Ihrer Schilderung kein Bedürfnis, einem Elternteil das (Mit-) Sorgerecht zugunsten eines alleinigen Sorgerechts streitig zu machen oder gar zu entziehen. Naheliegender und völlig ausreichend wäre die Beantragung eines Teils des Sorgerechts, nämlich das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht. Dieses wird quasi aus dem ansonsten unberührt bleibenden gemeinsamen Sorgerecht herausgetrennt und einem Elternteil allein übertragen. 

Beim Förderungsprinzip ist danach zu fragen, welcher Elternteil dem Kind voraussichtlich die besseren Entwicklungsmöglichkeiten vermittelt und ihm die meiste Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit und eine gleichmäßige und stete Erziehung geben kann. Dies dürften aufgrund der familiären Einbindung nach ihrer Schilderung sicherlich derzeit Sie sein, da die Kinder bei Ihnen leben. Zwar ist es für Sie von Vorteil, dass die Kinder bei Ihnen leben und einen festen Lebensmittelpunkt haben. Andererseits sollen sie mit Ihrem geplanten Umzug aus ihrer gewohnten Umgebung herausgenommen werden, was mit Schulwechsel und neuem Freundeskreis einhergeht. Dies entspricht natürlich nicht unbedingt dem Kindeswohl. Es wird also vor allem darauf ankommen, welche Betreuung den Kindern bei den abzuwägenden Alternativen zukommt. Das Gericht lässt sich weniger von den Bedürfnissen oder dem Willen der Eltern leiten, sondern vielmehr von den Belangen der Kinder. Das Gericht wird sich auch der Hilfe des Jugendamtes bedienen. Dieses wird im Rahmen des Verfahrens Kontakt zu Ihnen, den Kindern und dem Kindesvater aufnehmen und auf Anforderung des Gerichts einen Bericht erstellen, der Eingang in das Verfahren findet. 

Erfahrungswerte, wie das Gericht möglicherweise entscheidet, sind trotz Ihrer recht ausführlichen Schilderung unangebracht. Es sind stets Einzelfallentscheidungen, die sich aus vielen Mosaiksteinchen zusammensetzen. Das Gericht wird sämtliche Erkenntnisquellen heranziehen und erst entscheiden, wenn sämtliche Informationen vorliegen. Bevor durch Beschluss entschieden wird, wird das Gericht Ihnen gegenüber eine Einschätzung abgeben und (vermutlich) einen Einigungsvorschlag unterbreiten. Erst wenn dies nicht möglich ist, wird entschieden. 

Ein konkretes Mitspracherecht steht den Kindern nach dem Gesetz erst ab dem 14. Lebensjahr zu. Ob das Gericht die Kinder selbst befragt, hängt von dem zu erstellenden Jugendamtsbericht ab, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Sofern nicht erforderlich, wird es davon absehen.

Die Dauer des Prozesses hängt von vielen Faktoren ab. Mit einer schnellen Entscheidung in wenigen Wochen kann nicht gerechnet werden, da das Jugendamt eingeschaltet wird und dieses zunächst die Beteiligten kennenlernen muss. Während des Verfahrens wird das Gericht die Kinder an dem Ort belassen, an dem sie sich derzeit befinden. Zu empfehlen ist Ihnen in jedem Fall, die Voraussetzungen Ihres geplanten Umzuges zu schaffen und dann so früh wie möglich Ihren Antrag zu stellen. Eine schlüssige Planung ist unabdingbar, da das Gericht die Kinder nicht in eine unsichere Zukunft entlassen wird (Stichwort: Kindeswohl).

Die Kostenentscheidung hängt vom Ausgang des Verfahrens ab und wird vom Gericht getroffen. Wird neben dem Aufenthaltsbestimmungsrecht auch das korrespondierende Umgangsrecht geregelt, ändern sich z.B. die Verfahrenswerte. Geht es allein um das Aufenthaltsbestimmungsrecht, beträgt der Verfahrenswert gem. § 45 Abs. 2 FamGKG 3.000,00. Bei zwei Kindern findet grundsätzlich keine Erhöhung oder Verdopplung statt. Abweichungen kann das Gericht aber gem. § 45 Abs. 3 FamGKG bestimmen. Nach dem Verfahrenswert richten sich auch die Anwaltsgebühren. Bei einem Verfahrenswert von 3.000,00 würde bei einer Entscheidung durch das Gericht (mithin keine Einigungsgebühr) etwa 750,00 EUR pro Anwalt anfallen. Dabei ist die außergerichtliche Tätigkeit bereits enthalten. Die Gerichtskosten liegen bei etwa 270,00 EUR. 

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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