Schließung eines öffentlichen Gehweges - Gewohnheitsrecht

Online-Rechtsberatung
Stand: 14.09.2016
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Die Verwaltung meiner Heimatgemeinde beabsichtigt, einen seit mehr als 70 Jahren von den Bürgern genutzten Fußweg, der den Weg zur Haupt-straße und zu einem Einkaufszentrum wesentlich abkürzt, im Zuge der Planung einer Straße für Lkws für die Bewohner meines Wohnviertels ganz zu schließen. Nach der Aussage des stellvertretenden Bürgermeisters und 1. Beigeordneten wäre den Bürgern der entstehende Umweg
zuzumuten. Das wird von den betroffenen Bürgern natürlich bestritten, weil der entstehende Umweg minimal 300 und maximal bis zu 600 m betragen
dürfte.
Gehe ich richtig in der Annahme, dass bei der Benutzung des Fußwegs im
Laufe von 70 oder mehr Jahren ein Gewohnheitsrecht entstanden ist, das die Gemeinde nicht einseitig aushebeln oder mißachten darf?

Antwort des Anwalts

Sehr geehrter Mandant,

Das Straßen- und Wegerecht wird in den Straßen- und Wegegesetzen der Bundesländer geregelt. Mangels anderer Angaben werde ich auf das StrWG NRW zurückgreifen – in den anderen Bundesländern gelten aber vergleichbare Regelungen.

Für eine mögliche Sperrung eines Weges ist zunächst von entscheidender Bedeutung, ob der Weg dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Wäre das nicht der Fall, könnte der Weg jederzeit gesperrt werden.

Seit dem Inkrafttreten der ersten Straßen- und Wegegesetze der Länder (in NRW beispielsweise im Jahre 1962) müssen öffentliche Wege dem öffentlichen Verkehr gewidmet werden. Die Widmung erfolgt durch einen entsprechenden Rechtsakt der jeweiligen Straßenbaubehörde. Bei Wegen sind dieses in der Regel die örtlichen Gemeinden, die durch Ratsbeschluss Wege dem öffentlichen Verkehr widmen (§ 6 StrWG NRW) und dieses dann öffentlich bekannt machen.

Bei älteren Wegen, die bei Inkrafttreten der Straßen- und Wegegesetze bereits bestanden, ist im Einzelfall zu prüfen, ob sie faktisch dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Die Kriterien hierfür hat das OVG Münster in einer aktuellen Entscheidung vom 29.4.2009 (Az.: 11 A 3657/06) noch einmal wie folgt zusammengestellt:

  • der Weg muss für den öffentlichen Verkehr notwendig sein#
  • der Weg muss durch das Publikum ununterbrochen während längerer Zeit benutzt sein
  • der Gebrauch des Weges musste ohne Störung durch den Grundeigentümer erfolgen
  • das Publikum musste bei dem Gebrauch des Weges die Überzeugung haben, dass ihm ein
    Recht auf den ungehinderten Verkehr zustehe
  • der Gebrauch muss ein allgemeiner sein
  • das Recht des Publikums auf den Gebrauch des Weges musste von der öffentlichen Autorität
    anerkannt sein.

In ihrem Fall fehlt es bereits an dem ersten Kriterium, da der Weg nicht notwendig ist. Nach der Rechtsprechung des OVG kommt es ausdrücklich nicht darauf an, dass der Weg nützlich ist (z.B. als Abkürzung). Notwendig ist der Weg nur, wenn ohne seine Nutzung angeschlossene Grundstücke nicht anderweitig erreicht werden können. Das ist nach Ihrer Darstellung aber gerade nicht der Fall. Ein ansonsten notwendiger Umweg begründet also nicht die Notwendigkeit eines Weges.

Erhebliche Zweifel habe ich auch, ob der Weg von der Autorität anerkannt ist. Das wäre dann der Fall, wenn er in öffentlichen Plänen (z.B. Bebauungsplan, Flächennutzungsplan, Katasterplan, Grundbuch oä.) als Weg verzeichnet ist. Es gilt aber auch der Umkehrschluss: Ist der Weg im den Bebauungsplänen nicht verzeichnet (gewesen), spricht dieses überaus stark dafür, dass er von der örtlichen Autorität gerade nicht anerkannt wurde. Es reicht demgegenüber für die Eröffnung eines öffentlichen Verkehrs nicht aus, wenn die Stadtverwaltung duldend hinnimmt, dass ein Grundstücksteil von einer mehr oder weniger großen Anzahl von Menschen als Weg genutzt wird.

Demnach ist davon auszugehen, dass es sich bei dem von Ihnen beschriebenen Weg nicht um einen öffentlichen Weg handelt. Die Sperrung durch den Grundstückseigentümer ist jederzeit ohne ein besonderes Verfahren möglich.

Selbst wenn man zu einem anderen Ergebnis käme, würde sich letztlich wohl wenig ändern.

Handelt es sich um einen öffentlichen Weg, kann dieser nach § 7 StrWG NRW eingezogen werden. Die Einziehung ist möglich, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Einziehung vorliegt. Für die Einziehung ist ein förmliches Verfahren durchzuführen und mit einer Allgemeinverfügung abzuschließen. Die Allgemeinverfügung kann im Wege der Klage vor dem Verwaltungsgericht angegriffen werden. Das Gericht überprüft, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse vorliegt und dieses nachvollziehbar begründet ist.

Nach Ihrer Darstellung geht zumindest die Stadtverwaltung davon aus, dass ein solches überwiegendes Interesse an einer Einziehung vorliegt.

Als Fazit bleibt also fest zu halten, dass trotz einer langjährigen Nutzung die Gemeinde das Recht hat, den Weg zu schließen. Die Frage, ob ein öffentlicher Weg vorliegt (was ich nicht glaube) oder nicht, hat lediglich Auswirkungen auf das Einziehungsverfahren.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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