Überstunden trotz 40 Stunden Woche

Online-Rechtsberatung
Stand: 13.09.2016
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Ich bin als Küchenchef und Betriebsleiter in einem Restaurant angestellt. In meinem Arbeitsvertrag steht ausdrücklich eine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche, eine Überstundenregelung ist nicht vereinbart.
Tarifvertragliche Regelungen wurden ausgeschlossen, Ausschlussfristen stehen keine im Vertrag. Im Vertrag steht jedoch: "Die regelm. wöchentliche Arbeitszeit beträgt zurzeit 40 Stunden. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richten sich nach der betrieblichen Einteilung. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, zumutbare Überstunden und Mehrarbeit zu leisten"
Da ich das Restaurant mit eröffnet habe, haben sich nun seit April 2009 insgesamt 86 Tage Überstunden aufgebaut. Meinen Urlaub 2009 konnte ich so gerade eben abbauen, aber den 2010er Urlaub schiebe ich noch vor mich her. Überstunden abbauen war leider aus Personalmangel nicht möglich (eigentlich alle Mitarbeiter bauen Überstunden auf...), ausgezahlt wurden sie ebenfalls nicht. Ursprünglich war einmal vorgesehen, dass ich am Unternehmenserfolg beteiligt werden sollte, daher habe ich die Überstunden auch so vor mich her geschoben.

Nun ist aber deutlich geworden, dass eine Beteiligung am Erfolg angeblich mangels Masse nicht geschehen wird. Ich habe daher schon angekündigt, dass ich mich nun aktiv nach einem Job umsehen werde. Mein Arbeitgeber will die Überstunden nun nicht anerkennen. Begründung dafür wäre meine leitende Position (auch wenn meine wöchentl. Arbeitszeit im Vertrag steht) und, dass die Überstunden nicht angeordnet und nicht nötig gewesen wären. Alle Stunden wurden jeweils auf einem Wochenstundenplan eingetragen, welcher für alle Mitarbeiter und die Geschäftsleitung ständig sichtbar ist (Pinnwand zwischen Küche und Bar) und bildete auch die Grundlage für Abrechnungen. Auf dem Plan war auch immer die Überstundenentwicklung sichtbar (Vormonat und Aktuelle). Kopien aller Originale habe ich.
Dass die Stunden nötig waren steht außer Frage und kann auch entsprechend von anderen Mitarbeitern bestätigt werden. Meine Fragen sind nun, wie ich mich am besten Verhalten soll, ob ich Stunden abziehen muss (habe mal etwas von zumutbaren Überstunden gelesen über einen bestimmten Zeitraum) und ob ich schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwas machen muss? Können Überstunden verfallen? Wie berechne ich meinen Anspruch aus den Überstunden (Bruttogehalt durch 22 Tage mal Überstundentage?) Was kann der Arbeitgeber in Bezug auf die Überstunden fordern?

Antwort des Anwalts

Meine Fragen sind nun, wie ich mich am besten Verhalten soll, ob ich Stunden abziehen muss und ob ich schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwas machen muss?

Zunächst möchte ich ein paar grundsätzliche Ausführungen voranschicken. Ob Überstunden vorliegen ist einerseits zeitlich und andererseits inhaltlich zu prüfen. Zeitlich spricht man von Überstunden bzw. Mehrarbeit wenn sich aus dem Vergleich der vom Arbeitnehmer geschuldeten und im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitszeit mit den von ihm tatsächlich geleisteten oder angeordneten Arbeitsstunden ein Mehr ergibt. Vergleichsmaßstab ist die regelmäßige Arbeitszeit, wie sie für den Arbeitnehmer aufgrund Tarifvertrags, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag auf Tag/Woche/Monat oder Jahr verteilt ist. Üblicherweise wird die Dauer der geschuldeten Arbeitszeit ausdrücklich festgelegt, so wie bei Ihnen im Arbeitsvertrag geschehen. Danach schulden Sie eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden.
Der Arbeitgeber hat sich die Anordnung von Überstunden vorbehalten. Dies kann er mittels seines Direktionsrechtes tun, wenn auch nur in den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes.
Überstunden liegen nicht bereits dann vor, wenn Sie sich außerhalb der für Sie geltenden regelmäßigen Arbeitszeit im Betrieb aufhalten. Sie müssen mit „Wissen und Wollen“ des Arbeitgebers die Überstunden erbracht haben. Der Arbeitgeber muss deshalb Ihre Anwesenheit angeordnet oder in sonstiger Weise zum Ausdruck gebracht haben, dass er die über das übliche Zeitmaß hinausgehende Arbeitsleistung billigt oder zumindest duldet (so schon BAG 15. 6. 61, AP Nr 7 zu § 253 ZPO). Eine für die Anordnung von Überstunden vorgeschriebene Schriftform dient in der Regel nur der Beweissicherung. Ihre Nichtbeachtung ist materiellrechtlich folgenlos (LAG Hess 29. 10. 92). Daher kommt auch die „Ausrede“ Ihres Arbeitgebers, der nun vorträgt, er habe die Überstunden nicht angeordnet und sie seien nicht notwendig gewesen. Ganz offensichtlich hat er aber die Ableistung Ihrer Arbeitszeit wissentlich geduldet und offensichtlich – nach Ihren Schilderungen – auch im Wochenplan eingetragen. Damit sind nach Ihren Schilderungen in jeden Fall Überstunden erbracht worden.

Was Sie vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall tun sollten, wäre, sich Kopien der Wochenpläne zu fertigen, aus denen sich die von Ihnen geleisteten Überstunden ablesen lassen, da Sie im Streitfall nämlich die Beweislast für das Anfallen der Überstunden haben. Sie müssen dann jede einzelne Stunde vortragen und deren Anfall sowie Anordnung bwz. Duldung durch den Arbeitgeber beweisen können. Wenn Sie vom Arbeitgeber gefertigte Dienstpläne bzw. solche, von denen der Arbeitgeber Kenntnis hatte vorlegen können, sind Ihre Chancen beim Arbeitsgericht – vorbehaltlich einer genauen Prüfung der Sachlage durch Sichtung der Unterlagen in einem ausführlichen Gespräch, wohl recht gut.

Sie schilderten außerdem, dass die Überstunden erst seit 2009 angefallen sind; somit besteht kein Problem mit einer Verjährung des Anspruchs. Zudem erwähnten Sie, dass der Arbeitsvertrag keine Ausschlussfrist enthält und ein Tarifvertrag wohl keine Anwendung findet. Was letzteres betrifft, habe ich jetzt allerdings nicht untersucht, ob sich ggf. aus einem zwingend anzuwendenden Tarifvertrag (allgemeinverbindlich) eine Ausschlussfrist ergibt. Dies kann ich jedoch ergänzen, wenn Sie mir mitteilen, in welchem Bundesland Sie tätig sind.

Nach Ihren Schilderungen ist während des Arbeitsverhältnisses außer der „Beweissicherung“ nichts veranlasst. Sinnvoll erscheint jedoch zeitnah, die Abgeltung der Überstunden geltend zu machen.

Zumutbar sind eine gewisse Anzahl von Überstunden sicherlich und zwar soweit diese sich in den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes halten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie damit nicht zu vergüten sind. Man kann vertraglich regeln, dass eine bestimmte Zahl von Mehrarbeitsstunden pro Monat mit dem vertraglichen Gehalt abgegolten sein soll. Wenn die Grenze von ca. 10-15 Stunden/Monat nicht überschritten wird, kann man davon ausgehen, dass eine derartige Vereinbarung einer gerichtlichen Überprüfung wohl standhält. Aber nach Ihren Schilderungen findet sich eine derartige Vereinbarung in Ihrem Arbeitsvertrag gerade nicht. Somit ist ein Abschlag von der Zahl der Stunden nicht notwendig.

Können Überstunden verfallen?
Ja Überstunden können verfallen, und zwar dann, wenn es eine Ausschlussfrist im Vertrag gibt oder aber in einem Tarifvertrag. Andernfalls „verfallen“ sie durch Verjährung des Anspruchs. Überstunden bzw. der Anspruch auf Abgeltung verjährt mit der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren. Das bedeutet, dass die in 2009 geleisteten Stunden mit dem 31.12.2009 zu verjähren beginnen und mit Ablauf des 31.12.2012 verjähren, die in 2010 entstandenen Stunden demzufolge mit dem 31.12.2013 verjähren.

Wie berechne ich meinen Anspruch aus den Überstunden (Bruttogehalt durch 22 Tage mal Überstundentage?)
Die Höhe bemisst sich, ausgehend von der regelmäßigen Arbeitszeit, nach dem auf eine Arbeitsstunde entfallenden Entgelts. Dabei ist ein Durchschnitt von 13 Wochen zu bilden. Geschuldet sind von Ihnen 40 Wochenstunden x 13 / 3 Monate. Mit dieser Formel ermitteln Sie die von Ihnen durchschnittlich monatlich geschuldete Zahl von Arbeitsstunden. Ausgehend von Ihrem Bruttogehalt lässt sich so der Stundenlohn ermitteln. Der Stundenlohn ist mit der Zahl der Überstunden –nicht Überstundentage – zu multiplizieren. Dann haben Sie den Bruttolohn der Überstunden errechnet.

Beispiel: 2000 EUR brutto monatlich und 40 Stunden wöchentlich

40 Stunden x 13 = 520/3 = 173,33 Stunden monatlich im Durchschnitt. Ausgehend von einem Bruttogehalt von 2000 EUR ergibt sich ein Stundenlohn von 11,54 EUR. Diesen müssen Sie nun mit der Zahl Ihrer Überstunden multiplizieren.

Was kann der Arbeitgeber in Bezug auf die Überstunden fordern?
Hier kann der Arbeitgeber einen Nachweis für deren Erbringung fordern.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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