Personenbedingte Kündigung im Krankheitsfall

Online-Rechtsberatung
Stand: 21.02.2017
Frage aus der Online-Rechtsberatung:

Geboren am 25.07.1952. Ich bin seit dem 16.01.2009 ununterbrochen krank. Hauptgrund: Arthrose im Knie habe außerdem mehrfache Banscheibenvorfälle sowohl
in der HWS als auch in der LWS. Zusätzlich Arthrose in den Händen wie auch beide Füße.
Bin von Beruf Elektriker und soll laut REA Gutachten viele Sachen die allerdings das täglich Brot eines Handwerkers sind nicht mehr verrichten. Kann aber angeblich meinen Beruf noch vollschichtig ausüben (absoluter Widerspruch). Habe nun nächste Woche ein Gespräch im Betrieb zur Betrieblichen Wiedereingliederung. Frage: Wie soll ich mich am besten verhalten damit der Arbeitgeber mich nicht bezüglich meiner Probleme (Beruf nicht mehr ausführbar) kündigen kann.

Antwort des Anwalts

Sehr geehrter Mandant,

Zunächst einige grundsätzliche Ausführungen:

Im Falle einer Krankheit könnte eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommen. Eine solche Kündigung stellt keine Sanktion für vergangene Vertragsstörungen dar. Sie ist zukunftsbezogen und gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, zu erwartenden betrieblichen Beeinträchtigungen zuvorzukommen (BAG 12. 4. 02 - 2 AZR 148/01). Das Gesetz enthält keine Definition des personenbedingten Grundes für eine Kündigung. Die Rechtsprechung versteht als Gründe in der Person des Arbeitnehmers solche Umstände, die auf einer in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden ?Störquelle? beruhen (BAG 21. 11. 85, DB 86, 2133), also Umstände, die persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten des Arbeitnehmers betreffen. Führen diese Umstände zu einer schweren und dauerhaften Störung des Austauschverhältnisses, können sie eine Kündigung begründen, wenn es keine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer gibt (BAG 24. 2. 05 - 2 AZR 211/04).

Die personenbedingte Kündigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer seine Fähigkeiten oder seine Eignung verloren hat, die geschuldete Arbeitsleistung ganz oder zum Teil zu erbringen (BAG 28. 2. 90).

Gerade bei der personenbedingten Kündigung ist der Arbeitgeber verpflichtet, jede mögliche zumutbare und geeignete Maßnahme zu ergreifen, die im Rahmen der betrieblichen Interessen die Kündigung vermeiden hilft (BAG 12. 7. 07 ?2 AZR 716/06; BAG 24. 11. 05 - 2 AZR 514/04).

Vor Ausspruch der Kündigung muss daher stets geprüft werden, ob der Arbeitnehmer auf einem anderen gleichwertigen freien Arbeitsplatz des Betriebes oder Unternehmens weiter beschäftigt werden kann (BAG 24. 11. 05 - 2 AZR 514/04). Hat der Arbeitgeber diese Prüfung versäumt, ist die Kündigung jedoch nur unwirksam, wenn die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung tatsächlich bestand (BAG 10. 3. 77).
Der Arbeitgeber muss weiter prüfen, ob eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen besteht (BAG 10. 3. 77). Und der Arbeitgeber muss versuchen, den Arbeitnehmer zu geänderten Arbeitsbedingungen - ggf. auf einem Arbeitsplatz mit geringeren Anforderungen und verminderter Bezahlung - zu beschäftigen. Damit ist erst einmal der Einsatz auf einem freien Arbeitsplatz angesprochen. Ist ihm die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers zu geänderten Bedingungen zumutbar, scheidet eine wirksame personenbedingte Beendigungskündigung aus.

Wenn ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt auf Dauer nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz zu erbringen oder ist seine Leistungsfähigkeit krankheitsbedingt gemindert, muss der Arbeitgeber auch über die einfache Besetzung freier Arbeitsplätze hinausgehen, um die Kündigung zu vermeiden. Er ist verpflichtet, leidensgerechte Arbeitsplätze frei zu machen oder zu schaffen, soweit das im Rahmen des Direktionsrechts möglich ist (BAG 12. 7. 07 - 2 AZR 716/06; BAG 29. 1. 97 - 2 AZR 9/96). Dazu gehört neben der Änderung von Arbeitsabläufen und dem Umverteilen von Aufgaben (BAG 12. 7. 95) auch die Versetzung anderer Mitarbeiter (BAG 29. 1. 97 - 2 AZR 9/96). Der Arbeitgeber ist jedoch weder verpflichtet, einen Arbeitsplatz "freizukündigen" noch muss er das Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer Versetzung verweigert.

Für Sie besonders wichtig; der Arbeitgeber muss vor jeder personenbedingten Kündigung - unabhängig davon, ob beim Arbeitnehmer eine Behinderung besteht - das in § 84 Abs 2 SGB IX geschilderte betriebliche Eingliederungsmanagement durchführen (BAG 12. 7. 07 - 2 AZR 716/06). Dies ist das, was der Arbeitgeber mit dem bei Ihnen anstehenden Termin offenbar nunmehr tut.

Mit Ihrer Zustimmung kann der Arbeitgeber mit dem Betriebsarzt, dem Betriebsrat soweit vorhanden - bei Schwerbehinderten zusätzlich mit der Schwerbehindertenvertretung - klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann und mit welchen Leistungen oder Hilfen man erneute Arbeitsunfähigkeit verhindern kann, um den Arbeitsplatz zu erhalten. Ihre Zustimmung als Betroffener ist dabei Voraussetzung. Erteilen Sie die Zustimmung nicht, obwohl der Arbeitgeber unmissverständlich zur Durchführung des Verfahrens aufgefordert hat, besteht keine Verpflichtung, ein Eingliederungsmanagement durchzuführen (BAG 12. 7. 07 - 2 AZR 716/06). Mit dieser Bestimmung sollen personenbedingte Kündigungen verhindert werden. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs 2 SGB IX ist zwar nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung wegen Krankheit (BAG 12. 7. 07 - 2 AZR 716/06). Allerdings wird es der Arbeitgeber im Falle einer Kündigung wegen Krankheit argumentativ im Arbeitsgerichtsverfahren schwer haben, die personenbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn das Eingliederungsmanagement nicht versucht wurde.

Die personenbedingte Kündigung kann wirksam werden, obwohl der Arbeitsplatz noch vorhanden ist und der Arbeitnehmer nicht gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen hat. Bei der Frage, ob die Interessen des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder die des Arbeitnehmers an seiner Fortsetzung überwiegen, ist daher ein besonders strenger anzulegen (BAG 12. 3. 68). Dies gilt vor allem, wenn sich aus der Art der Kündigungsgründe ein erhöhtes soziales Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers ergibt, wie z.B. bei Krankheit, Betriebsunfall oder krankheits- bzw. altersbedingter Leistungsschwäche.

Ist die Wiederherstellung der Arbeitskraft völlig ungewiss, bedarf es zur sozialen Rechtfertigung der personenbedingten Kündigung keiner konkret festzustellenden Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (BAG 19. 4. 07 - 2 AZR 239/06, BAG 18. 1. 07 - 2 AZR 759/05).

Bei einer Kündigung wegen Krankheit muss der Arbeitgeber besonders strenge Anforderungen überwinden, will er dies rechtswirksam tun. Nach der Rechtssprechung für krankheitsbedingte Kündigungen ist eine Prüfung in drei Stufen vorzunehmen (BAG 24. 11. 05 - 2 AZR 514/04; 12. 4. 02 - 2 AZR 148/01):

  1. Zunächst ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich.

  2. Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen; sie können durch Störungen im Betriebsablauf oder wirtschaftliche Belastungen hervorgerufen werden.

  3. In der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist dann zu prüfen, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen.

In der Zukunftsprognose zeigt sich die Zukunftsbezogenheit gerade der krankheitsbedingten Kündigung. Sie stellt keine Sanktion für die Fehlzeiten in der Vergangenheit dar (BAG 12. 4. 02 - 2 AZR 148/01). Entscheidend ist die Prognose über die künftige Arbeitsunfähigkeit. Ist der Arbeitnehmer wieder gesund oder ist in absehbarer Zeit mit der Wiederherstellung seiner Gesundheit zu rechnen, kann daher nicht krankheitsbedingt gekündigt werden.

Hier ist mit dem Argument einer möglichen zeitlichen Befristung einer Ersatzkraft eine Interessenabwägung vorzunehmen. Die Kündigung wegen einer langandauernden Krankheit ist nur zulässig, wenn die Arbeitsunfähigkeit bei Zugang der Kündigung noch andauert, eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 25. 11. 82; 29. 4. 99 - 2 AZR 431/98; BAG 12. 4. 02 - 2 AZR 148/01). Feste Maßstäbe dafür, welche Krankheitszeiten eine negative Prognose ermöglichen, lassen sich nicht angeben. Dies hängt u.a. auch von der Dauer des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der Kündigung ab. Die Rechtsprechung nennt zwar keine allgemein gültige Daten. Allerdings hat sich ein Rahmen von zwei Jahren eingebürgert.

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt eine ordentliche Kündigung wegen langandauernder Erkrankung als letztes Mittel erst dann in Betracht, wenn dem Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten ist, die Kündigung durch Überbrückungsmaßnahmen zu vermeiden. Er muss daher prüfen, ob sich negative betriebliche Auswirkungen durch Einstellung von Hilfskräften, Mehrarbeit, Versetzungen vermeiden lassen. Dabei hat der Arbeitgeber bei einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer einen längeren Zeitraum für geeignete und zumutbare Überbrückungsmaßnahmen hinzunehmen als bei einem nur kurzfristig tätigen Arbeitnehmer (BAG 22. 2. 80). Letzten Endes kann auch verlangt werden, dass der Arbeitgeber eine Aushilfskraft auf unbestimmte Zeit einstellt (BAG 25. 11. 82).
Wegen der oft gerade bei Langzeiterkrankten eher möglichen Überbrückungsmaßnahmen und der de facto fehlenden Möglichkeit, die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen mit der Lohnfortzahlungspflicht zu begründen, waren Langzeiterkrankte bisher gegen Kündigung gut geschützt. Dies hat sich geändert. Ist der Arbeitnehmer bereits längere Zeit - im entschiedenen Fall 18 Monate - arbeitsunfähig erkrankt und ist im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit noch völlig ungewiss, soll allein diese Ungewissheit zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Belange führen, weil der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben (BAG 18. 1. 07 - 2 AZR 759/05).

Dabei soll die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit gleich stehen, wenn in den nächsten 24 Monaten nach Ausspruch der Kündigung mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (BAG 19. 4. 07 - 2 AZR 239/06, BAG 29. 4. 99 - 2 AZR 431/98, BAG 12. 4. 02 - 2 AZR 148/01).

Dies gilt jedenfalls, wenn eine Vertretungsmöglichkeit gerade auch für die Fälle vom Arbeitgeber geschaffen wurde und zur Verfügung steht, in denen die Prognose zwar für mehr als 24 Monate negativ, insgesamt aber noch ungewiss ist (vgl BAG 19. 4. 07 - 2 AZR 239/06). Wie auch immer, die Interessenabwägung im Einzelfall kann helfen, Härtefälle abzufangen.

Diese - zugegebenermaßen recht ausführlichen grundsätzlichen Ausführungen - sollten Ihnen ein wenig den Rechtsprechungsstand und die bei Ihnen vorliegenden Risiken verdeutlichen.

Aus dem oben Geschilderten und meiner Erfahrung in ähnlichen gelagerten Fallkonstellationen heraus meine ich sagen zu können, dass jedenfalls derzeit eine Kündigung wohl nicht droht und auch derzeit nicht durchgesetzt werden könnte.
Der Arbeitgeber muss derzeit sein Eingliederungsmanagement durchführen, also wie bereits erläutert, prüfen, in welcher Form und welchem Umfang er sie mit den aktuellen gesundheitlichen Einschränkungen im Betrieb beschäftigen kann. Die Tatsache, dass das Gutachten bestimmte Tätigkeiten im Moment jedenfalls quasi untersagt, führt für meine Begriffe nicht zwingend dazu, dass Sie nicht beschäftigt werden können. Bestimmte Tätigkeiten können u.U. auch erst wieder nach einer gewissen Zeit ausgeführt werden. Dies ist jedoch eine rein medizinische Beurteilung, die weder Sie noch ich vornehmen können, sondern sich fortlaufend während der Wiedereingliederung ergeben werden.

Sinnvoll ist, sich in diesem anstehenden Gespräch grundsätzlich kooperativ zu zeigen und den Schwerpunkt auf die Aussage zu legen, dass Sie dem Grunde nach vollschichtig einsatzfähig sind und lediglich derzeit noch bestimmte Tätigkeiten meiden sollen. Vermieden werden sollten Aussagen, die bestimmte Tätigkeiten grundsätzlich und für die Zukunft vollkommen ausschließen. Allerdings müssen die Tätigkeiten, die Sie im Moment jedenfalls nicht ausüben sollen, genannt werden, damit der Arbeitgeber eine Eingliederung und eine Beschäftigung entsprechend Ihrer gesundheitlichen Disposition finden kann. Ich gehe davon aus, dass Sie dort schon länger beschäftigt sind, so dass der Arbeitgeber auch nicht ohne weiteres hier eine Kündigung erklären wird.

Wichtig ist - und darauf sollten Sie das Hauptaugenmerk im Gespräch richten - dass sich aus dem Gespräch N I C H T ergeben sollte, dass in den nächsten beiden Jahren sicher davon auszugehen ist, dass eine Verbesserung nicht eintritt, sondern Sie quasi dauerhaft krank bleiben.

Klar ist natürlich aufgrund der Krankheitsgeschichte, dass man von einem Ausheilen nicht ausgehen kann, das bedeutet aber nicht, dass Sie nicht beschäftigt werden können oder dass die Prognose negativ ist.

Bei der vorliegenden Antwort, welche ausschließlich auf Angaben des Kunden basiert, handelt es sich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Anfragestellung. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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