Thomas-Cook-Pleite, Corona-Krise: Wie wir mit spontanen Großprojekten umgehen

Spontane Großprojekte. Klingt seltsam? Ist es in den meisten Unternehmen vermutlich auch. Doch bei uns kommt das schon mal vor. Immer dann nämlich, wenn ein Ereignis auf einen Schlag sehr viele Menschen vor Rechtsprobleme stellt. Das kann niemand voraussehen und trotzdem müssen wir darauf vorbereitet sein. Wie wir solche Lagen angehen, warum wir damit besser umgehen können als andere Unternehmen und wie wir das trotzdem ohne Überstunden schaffen, lest ihr hier.

 

In den vergangenen 12 Monaten mussten wir gleich zwei spontane Großprojekte stemmen: die Insolvenz des Touristik-Konzerns Thomas Cook und die Corona-Krise. Die Pandemie hat auf einen Schlag das „normale“ Leben aus den Angeln gehoben. Millionen Menschen hatten plötzlich Rechtsfragen – die meisten im Reise- und Arbeitsrecht. Gleichzeitig waren – wie alle anderen Geschäfte auch – die Rechtsanwaltskanzleien geschlossen. Hilfe bei Rechtsproblemen oder auch nur eine schnelle Antwort auf drängende Rechtsfragen waren nicht mehr so einfach zu bekommen. Wer aber vom Arbeitgeber gezwungen wurde, seinen Resturlaub komplett zu nehmen, weil keine Arbeit mehr da war, musste sofort klären, ob das erlaubt ist oder er sich wehren kann. Wer seine Reise aus Angst vor der Pandemie stornieren wollte, beim Veranstalter aber auf taube Ohren traf, brauchte sofort einen Rat zu seinen rechtlichen Möglichkeiten. Das war der Moment, an dem bei uns die Telefonleitungen heiß liefen.

Gut zu wissen: Auch wenn unser Firmenname anderes signalisiert: Bei der Deutschen Anwaltshotline selbst sind keine Anwälte angestellt, die Rechtsberatung anbieten. Dafür arbeiten wir mit selbstständigen Kooperationsanwälten in ganz Deutschland zusammen. Wir bieten ihnen ein Telefon- und Mailsystem, über das sie die Beratung für jedermann anbieten können. Die Anwälte müssen sich nicht um die technische Umsetzung kümmern. Rechtsratsuchende müssen nicht mühsam selbst recherchieren, wo und wann ein Anwalt erreichbar ist, der zu ihrer Frage beraten kann. Das übernehmen wir: Wir stellen die technische Infrastruktur, die Hunderttausende Anrufe im Jahr abwickeln kann. Und wir bieten mit der Website die Anlaufstelle für alle, die Informationen und den Kontakt zu einem Rechtsanwalt suchen.

Hilfe für Betroffene der Thomas-Cook-Insolvenz

Ganz ähnlich war die Situation im Herbst 2019: Ende September erklärte plötzlich der britische Touristikkonzern Thomas Cook, dass er den Geschäftsbetrieb einstellen müsse. Wenige Tage später zogen die deutschen Unternehmenstöchter wie Neckermann oder Bucher Reisen nach und meldeten ebenfalls Insolvenz an. Hunderttausende Reisende saßen von heute auf morgen im Ausland fest oder standen tagelang am Flughafen, weil unklar war, ob ihre Reise noch stattfindet oder nicht. Andere bangten um das Geld, das sie für ihren Urlaub später im Jahr bereits gezahlt hatten. Erschwerend kam hinzu, dass es lange an sicheren Informationen fehlte, ob die Betroffenen ihr Geld zurückbekommen würden, wann, von wem und in welcher Höhe.

Diese Reisende suchten über die Hotline schnellen Rat erfahrener Rechtsanwälte. Das ist für uns natürlich einerseits großartig, denn viele über unsere Plattform abgewickelte Telefonate bedeutet für uns auch gute Umsätze. Andererseits sind unsere Ressourcen nicht unendlich und bei zu vielen Anrufern ist die Gefahr groß, dass sie ständig mit einer besetzten Leitung frustriert werden. Wir brauchten also eine Lösung, um die wichtigsten Fragen der Betroffenen zu beantworten, ohne alle in eine individuelle Rechtsberatung zu steuern.

Unsere Lösung war der Thomas-Cook-Info-Service. Wir brauchten zwei Tage, um diese Erste-Hilfe-Maßnahmen auf die Straße zu bringen. „Das ist in unserer Branche extrem schnell. Solche Projekte, in die nicht nur das gesamte Unternehmen, sondern auch alle Partner eingebunden sind, brauchen sonst durchaus ein paar Monate, bis sie wirklich laufen“, erklärt DAHAG-Vorstand Jonas Zimmermann.

Nach nur zwei Tagen war unser Info-Service in Betrieb und versorgte alle Beteiligten nahezu in Echtzeit mit Informationen: betroffene Reisende, beratende Anwälte, die Medien. Es entstand ein Newsletter und eine Landingpage, über die Betroffene rechtzeitig, aber vor allem unaufgeregt und korrekt, informiert werden konnten. Gleichzeitig fühlten sich durch die Hintergrundinformationen immer mehr der selbstständigen Kooperationsanwälte aus unserem Netzwerk in der Lage, Fragen zur Insolvenz zu beantworten. So konnten wir also auch die Kapazitäten in der Telefonberatung steigern. Klingt einfach, war aber tatsächlich sehr aufwendig, weil:

  • wir ein Projekt dieser Größenordnung vorher nie unter einem solchen Zeitdruck realisiert hatten.
  • alle Abteilungen im Haus eng verzahnt arbeiten mussten, die im Alltag eher unabhängig agieren.
  • das Alltagsgeschäft trotzdem weiterlaufen musste.

Warum wir können, was anderen nicht so leicht gelingt

Wir haben gut 80 Mitarbeiter und sind seit über 15 Jahren am Markt. Wir sind also kein kleines, super-flexibles Start-up mehr. Stattdessen haben wir eine Größe erreicht, die zwar dafür sorgt, dass wir auch große Aufträge übernehmen können, aber leider auch dafür, dass Koordination und Organisation aufwendiger – und damit langsamer – werden. Wie konnten wir also ohne Vorbereitung und in nur zwei Tagen ein Projekt realisieren, das fast die gesamte Firma beschäftigte – und trotzdem im Tagesgeschäft weiter gleich hohe Qualität bieten?

„Ich glaube, das lag vor allem an zwei Dingen, die typisch für die DAHAG sind: extrem kurzen Wege über alle Hierarchieebenen hinweg und dem Mut, Dinge auch erstmal schnell und dreckig zu machen, statt ewig an Perfektion rumzufeilen“, sagt Nic Augustin. Nic arbeitet in der Anwalts- und Fallbetreuung und war einer der Koordinatoren des Thomas-Cook-Projekts.

Flache Hierarchien – oder besser: fast keine Hierarchien

Die viel gerühmten „flachen“ Hierarchien gibt es auch bei uns: Wir haben die drei Vorstände, darunter die Abteilungsleiter und dann alle anderen. Zwischenebenen für schön klingende Jobtitel gibt es bei uns nicht. Aber was die operative Arbeit angeht, bestehen sogar diese drei existierenden Hierarchieebenen mehr oder weniger nur auf dem Papier. Um zu entscheiden, was wir zur Thomas-Cook-Insolvenz machen, gab es natürlich auch bei uns mehrere Meetings, aber teilgenommen hat, wer dafür am besten geeignet war, nicht, wer den passenden Titel trägt:

  • Nic und Johanna von der Anwaltsbetreuung, weil sie dafür sorgen mussten, dass die selbstständigen Kooperationsanwälte aus unserem Netzwerk bereit und fähig sind, die Betroffenen zu beraten.
  • Dustin von der Fallbetreuung, weil die Kollegen dort alle Maßnahmen koordinieren, um Rechtsratsuchende schnell mit Hilfe zu versorgen.
  • Maike oder Tanja als Abteilungsleiterinnen der Anwalts- und Fallbetreuung, um genug Leute für das Projekt einzuteilen, die Großkunden zu informieren und gleichzeitig das Tagesgeschäft abzusichern.
  • Anita aus der Redaktion, weil sie mal Reiseleiterin bei Thomas Cook war und deshalb Informationen gut und schnell einordnen konnte.
  • Jogo als Vorstand, weil er Hauptansprechpartner für unsere Großkunden ist und mit denen in ständigem Kontakt stand, um zu klären, was sie von uns brauchten.
  • Jannis als Justiziar, um zu klären, was wir anbieten dürfen und wo uns die berufsständischen Regelungen für den Rechtsmarkt Fesseln anlegen.
  • Sebastian oder Jonas von der IT, damit die Ideen auch technisch schnell und sauber auf die Straße kommen…

„Quick und dirty“ ist mehr als ein Buzzword für uns

Gleichzeitig trauen wir uns, Dinge „auf die Straße“ zu bringen, die (noch) nicht perfekt sind. „Quick and dirty“ ist nicht nur ein Buzzword (oder vielmehr viele Buzzwords) für uns. Manchmal geht das nach hinten los, siehe „Website-Relaunch“. Meistens ist es aber ein echter Vorteil – eben weil wir auf diese Weise schneller Lösungen anbieten können, als wenn wir erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn wirklich jedes Detail perfekt ist. Bei Thomas Cook hieß das zum Beispiel: Wir haben den Newsletter gestartet, als noch nicht ganz klar war, ob und wie wir ein Subscribe-Formular aufsetzen können. Wer an diesem Info-Service teilnehmen wollte, musste sich zunächst telefonisch (etwa während einer Rechtsberatung durch die selbstständigen Kooperationsanwälte) oder per Mail anmelden. Nichts, was man in Sachen Newsletter gewohnt ist und sicher umständlicher, als es hätte sein können – aber es hat funktioniert und ließ sich in unseren Workflow einbauen.

Keine Eitelkeiten, kein Gerangel um Zuständigkeiten

Allerdings gab es noch einen dritten Faktor, der dieses spontane Projekt so erfolgreich gemacht hat: Die Menschen, die bei der DAHAG arbeiten. Eitelkeiten und Zuständigkeitsgerangel gab und gibt es nicht. „Um das Tagesgeschäft zu stemmen, obwohl viele Kollegen der Anwalts- und Fallbetreuung mit Thomas Cook beschäftigt waren, sind Kollegen aus anderen Abteilungen eingesprungen“, erinnert sich Nic und ergänzt: „Gleichzeitig haben wir wenig Spezialisten, sondern sorgen dafür, dass in der Abteilung jeder alle Aufgaben zumindest grob kennt. So konnten Kollegen spontan meine Sachen, aber auch die von Johanna oder Dustin übernehmen, während wir das Thomas-Cook-Projekt koordiniert haben.“

Bescherung für den guten Zweck: Die DAHAG-Spendenaktion

02.02.2024 - Kurz vor Weihnachten ist nicht nur die Zeit für Besinnlichkeit, jede Menge Süßkram und (mehr oder weniger…