An dieser Stelle werden wir in regelmäßigen Abständen die wichtigsten Urteile, Beschlüsse und Neuigkeiten zusammentragen, die für Ihre tägliche Arbeit als Anwalt oder Anwältin von Belang sein könnten.
Neuigkeiten im März
Neu: Pannen beim Faxversand, offenkundig falsche Rechtsbehelfsbelehrungen und erneute Zeugenbefragungen
Klageänderung in der Revisionsinstanz ist unzulässig
Eine Klage kann in der Revisionsinstanz laut Bundesgerichtshof grundsätzlich nicht geändert werden. Ein Käufer hatte im Zusammenhang mit dem "Dieselskandal" von der Verkäuferin eines Audis zunächst eine Rückabwicklung des Kaufvertrags in Anspruch genommen und seine Klage dann in dritter Instanz teilweise zurückgenommen. Damit wollte er die Gegnerin in Annahmeverzug setzen (Az. VI ZR 573/20).
Faxausfall: Anwalt muss aktive beA-Nutzung nicht "auf die Schnelle" lernen
Fällt das Gerichtsfax aus und entscheiden sich Anwält*innen, die nicht mit dem System vertraut sind, trotz drohenden Fristablaufs gegen eine Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA), handeln sie nicht schuldhaft. Ein Erlernen der Funktionsweise "auf die Schnelle“ sei unzumutbar, befand der BGH. Vor Einführung der aktiven Nutzungspflicht müssten Rechtsanwält*innen nicht wissen, wie Nachrichten mit dem beA versandt werden (Az. III ZB 31/20).
Berufungsbegründungsfrist gewahrt trotz Faxversand in zwei Teilen
Wird ein fristwahrender Schriftsatz innerhalb weniger Minuten in zwei Teilen gefaxt, kann eine korrekte Zuordnung durch das Gericht erwartet werden. Das Gericht kann sich nicht darauf berufen, dass bei einem "größeren Landgericht" durch die Vielzahl der eingehenden Faxe nicht mit einer Zuordnung von Einzelteilen eines Schriftsatzes gerechnet werden könne. In diesem engen Zeitfenster und bei optischer Übereinstimmung der Hälften sei dies auch für eine Geschäftsstelle eines größeren Gerichts möglich, so der Bundesgerichtshof (Az. XI ZB 25/19).
Zweifel an eidesstattlicher Versicherung
Hat ein Gericht Zweifel an den für eine Wiedereinsetzung vorgebrachten Gründen, muss es darauf hinweisen und der Partei Gelegenheit geben, ihre eidesstattliche Versicherung durch Zeugenbeweis zu untermauern. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs werden bei einer Verwerfung ohne Vorwarnung die Verfahrensrechte unzumutbar eingeschränkt (AZ. XII ZB 200/20).
Offenkundig falsche Rechtsbehelfsbelehrung führt nicht zu Wiedereinsetzung
Erteilt ein Familiensenat eine offenkundig falsche Rechtsbehelfsbelehrung,ist die Versäumung der Rechtsmittelfrist trotzdem der Partei anzulasten. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Belehrung für einen im Familienrecht tätigen Rechtsanwalt als offenkundig falsch zu erkennen sein müsste (Az. XII ZB 256/20).
Bezugnahme auf elektronisches Handelsregister genügt zum Beleg der Rechtsnachfolge für Titelumschreibung
Für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel für den Rechtsnachfolger nach § 727 ZPO reicht eine Bezugnahme auf das elektronische Handelsregister etwa durch Vorlage einer Kopie des Handelsregisterauszugs aus, um die Rechtsnachfolge zu belegen. Dies hat das Oberlandesgericht Hamburg entschieden. Denn bei den im Handelsregisterportal veröffentlichten Informationen handele es sich um offenkundige Tatsachen in Form der Allgemeinkundigkeit (Az. 6 W 24/20).
Paraphe muss Anwalt oder Anwältin zuordenbar sein
Die Unterschrift unter einem fristwahrenden Schriftsatz muss nicht lesbar sein, aber man muss sie dem Anwalt oder der Anwältin zuordnen können. Dabei ist für den Bundesgerichtshof entscheidend, ob der oder die Unterzeichnende auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Das Gericht muss im Zeitpunkt des jeweiligen Fristablaufs den Urheber oder die Urheberin klar erkennen können (Az. III ZB 14/20).
Erneute Zeugenvernehmung im zivilgerichtlichen Berufungsverfahren
Ein Berufungsgericht muss einen Zeugen oder eine Zeugin selbst vernehmen, wenn es die Glaubwürdigkeit anders bewerten will als die Vorinstanz. Anderenfalls verletze es das rechtliche Gehör der benachteiligten Partei. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nun bestätigt und die Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen (Az. XII ZR 21/20).

Personal Management in Anwaltskanzleien: Warum Fachkräfte kündigen wollen und wie Sie dies verhindern
28.10.2021 - Anhaltender Personalmangel ist eines der größten Probleme, denen sich Rechtsanwaltskanzleien heutzutage…